Die Kanzlerkandidatin - Kriminalroman
mir aber versprechen.“
Sie hat wirklich wunderschöne Augen, dachte Wagner und schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln. „Sie müssen Frau Hauser die Zusage abnehmen, dass ich als Erste informiert werde, wenn sie etwas herausfindet. Immerhin habe ich bei der Faktenrecherche eine nicht unwesentliche Rolle gespielt.“
Wagner versprach es ihr, winkte die Bedienung heran und verlangte nach der Rechnung. Bianca Fröhlich nahm es als selbstverständlich hin, dass er ihre Rechnung übernahm. Ein gutes Zeichen, fand Wagner und nahm sich vor, sie demnächst zum Abendessen einzuladen.
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H ANNOVER , L ANDESKRIMINALAMT
Stolli hätte längst bei ihr eintreffen müssen. Wo blieb er bloß? Als ihr Telefon klingelte, hoffte Verena auf ein Lebenszeichen von ihm. Am Apparat war jedoch Jan Schuster. Ihr Brandenburger Kollege hatte gute Neuigkeiten: „Unsere Fahndung wegen des Phantombildes hatte doch noch Erfolg. Eine Frau aus Potsdam hat sich bei uns gemeldet. Sie ist sicher, den Mann gesehen zu haben. Und wissen Sie wo? In der Nähe des Parks Sanssouci, in der Rosenstraße in Potsdam.“
Bedeutungsvolles Schweigen folgte. Dann fiel es Verena ein. „Da wohnt doch Boris Milner, oder?“
„So ist es. Seine Villa ist die protzigste in der Straße.“
„Wann genau glaubt sie den Mann gesehen zu haben?“
„An das genaue Datum erinnert sie sich nicht. Nur dass es vor circa drei Wochen in den frühen Abendstunden gewesen war. Sie hat ihren Hund Gassi geführt. Der Mann war ihr wegen seiner dunklen Brille aufgefallen, es war immerhin ein wolkenverhangener Tag gewesen. Sie brachte Dienstag ins Spiel, will aber nicht ausschließen, dass es auch der Montag gewesen sein kann.“
„Vor drei Wochen wurde Baumgart erstochen. Wieso meldet sie sich erst jetzt?“
Schuster hustete. „Verdammte Bronchitis, ich werde sie einfach nicht los. Sie ist erst vorgestern von einem Kururlaub in Abano Terme zurückgekommen.“
Verena spürte ihr Herz klopfen. Endlich eine heiße Spur, die zu ihrem Hauptverdächtigen führte. „Wenn die Frau recht hat, wird Boris Milner einiges zu erklären haben.“
Schuster hatte Bedenken, eine Rolle, die normalerweise Hirschmann zukam. „Selbst wenn der Mann ein von Milner beauftragter Killer war, ist er längst außer Landes. Und Milner selbst wird alles abstreiten.“
„Durch seine Anwälte abstreiten lassen“, korrigierte ihn Verena. „Außer ‚Guten Tag‘ und ‚Auf Wiedersehen‘ habe ich ihn noch nichts sagen hören. Nein, knurren trifft es besser. Der Kerl hat die Aussprache eines knurrenden Hundes.“
Schuster lachte herzhaft. Dann schüttelte ihn ein Hustenkrampf.
„Sie sollten zum Arzt gehen, hört sich schlimm an.“
„Das wird schon wieder. Jetzt hat sich die Lage geändert. Wir haben eine Zeugin, die bestätigen kann, dass der Verdächtige in der Nähe seiner Villa gesehen wurde“, brachte er schließlich krächzend hervor.
„Das ist ein Anfang“, bestätigte Verena. Im Hintergrund waren Stimmen zu hören. „Ich komme gleich“, hörte sie ihren Kollegen am anderen Ende sagen. Er hörte sich gehetzt an. „Ich muss dringend weg, ich melde mich morgen noch mal bei Ihnen. Vielleicht fällt mir bis dahin etwas ein, manchmal kommen mir die besten Gedanken im Schlaf.“
Verena hatte den Hörer noch nicht aufgelegt, als ihre Bürotür weit aufgerissen wurde. Vor ihr stand Stolli. Verenas jahrelange Erziehungsversuche, ihn zum Anklopfen zu bewegen, waren kläglich gescheitert. Daran hatte auch sein Wechsel nach Osnabrück nichts geändert. Heute sah er aus wie in alten Zeiten: ausgefranste Jeans, auf seinem karierten Hemd undefinierbare Flecken, die Haare ungekämmt und ausgelatschte Schuhe. Sein Rucksack hatte auch schon bessere Zeiten gesehen.
„Hi, Verena, Mann, bin ich kaputt! Von Osnabrück nach Bad Pyrmont brauchst du eine Ewigkeit. Ich bin um sechs Uhr zu Hause losgefahren. Und du weißt, dass ich nicht mit den Hähnen krähe. Das kostet dich eine Einladung zum Essen, mindestens.“
„Gerne, meinetwegen gleich heute. Ich wollte ohnehin was essen gehen.“
Stolli nahm den ramponierten Rucksack ab, stellte ihn neben sich auf den Fußboden und ließ sich auf den Stuhl vor ihrem Schreibtisch fallen, die Beine weit von sich gespreizt. „Nein, heute nicht. Ich habe Anna versprochen, nicht so spät zurückzukommen. Ein anderes Mal gerne. Schmeiß deine Kaffeemaschine an, dazu ein Riegel aus deinem Müslisortiment und dein Stolli ist wunschlos glücklich.“
Verena ging zu
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