Die Kanzlerkandidatin - Kriminalroman
endlich die Getränke serviert würden. Die drei anderen Männer am Tisch schenkten uns keine Beachtung. Der Manager, über den sie herzogen, eine Mischung aus sexbesessen und karrieregeil, schien ein lebensfroher Zeitgenosse zu sein. Nur mit halbem Ohr lauschte ich den Ausführungen des Politikers über die Euro-Krise. Die Lästereien über die Sexaffären des Managers waren weitaus interessanter, auch wenn sie mich an mein eigenes trostloses Liebesleben erinnerten. Renate und ich schliefen seit Jahren nicht mehr miteinander. Unterdessen verstieg sich Wächter in einem peinlich genauen Bericht über den überaus harten Arbeitsalltag eines Landtagsabgeordneten
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Während das Essen und die Getränke serviert wurden, sagte der Landtagsabgeordnete aus heiterem Himmel zu mir: „Sie sehen bedrückt aus. Doch keine Probleme in der Firma?“
Ich hätte mich mit einer nichtssagenden Floskel herausreden können. Mir war jedoch danach, meinen Frust loszuwerden. Sollte der Politiker sich ruhig anhören, wo dem Inhaber eines Familienbetriebes der Schuh drückte. „Ärger mit einem insolventen Großkunden und meiner Hausbank. Die Ausweitung des Kreditlimits könnte sich schwieriger erweisen als gedacht. Die neuen Finanzmarktvorschriften.“
Tobias Wächter nickte verständnisvoll. „Ja, ja, die Brüsseler Bürokraten machen dem Mittelstand das Leben schwer. Wo genau drückt denn der Schuh?“
Meine Antwort empörte ihn
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„Seit fünfzig Jahren sind Sie dort bereits Kunde? Und dann behandelt die Bank Sie so? Eine Unverschämtheit, die Sie sich nicht bieten lassen sollten. Warum ziehen Sie nicht einen Berater hinzu, der nach einer neuen Bank für Sie Ausschau hält? Ich kenne da eine hervorragend aufgestellte Unternehmensberatung. Ansgar Müller Consult. Die hat schon vielen Unternehmen in Bedrängnis geholfen.“
Er fischte aus seiner rechten Jackentasche eine Visitenkarte hervor. „Hier sind seine Daten. Sprechen Sie mit ihm. Herr Müller ist sehr gefragt, genau genommen ist er total überlastet. Wenn Sie sich auf mich beziehen, wird das helfen.“ Er prostete mir zu. „Auf Ihre Zukunft und die Ihres Unternehmens. Mit Müller Consult wird es aufwärtsgehen. Sie werden sehen.“
Ich nickte und fühlte Dankbarkeit. Endlich ein Politiker, der nicht nur Sprüche klopfte, sondern konkrete Hilfe vermittelte. Und ein Versuch war es allemal wert. Ich nahm die Visitenkarte an mich und verabschiedete mich lächelnd. Wächter schüttelte mir kräftig die Hand und wünschte mir viel Erfolg. Voller Zuversicht, dass die Dinge eine positive Wendung nehmen würden, verließ ich die Veranstaltung
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Gleich am nächsten Tag bemühte ich mich um einen Termin, den ich auch prompt bekam. Nur zwei Tage später stand ich vor dem repräsentativen Bürogebäude der Beratungsfirma in der Georgstraße, der beliebtesten Einkaufsmeile Hannovers. Der weißgraue Marmorfußboden im Treppenhaus und die glänzenden, marmornen Wände zeugten von Wohlstand. Auf dem weißgoldenen Schild neben der Eingangstür zu den Büroräumen der Consultingfirma standen weitere Firmennamen. Ich verzichtete darauf, sie zu lesen. Ein verhängnisvoller Fehler, wie sich später herausstellen sollte
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Die mit schwarzer Hose und weißer Bluse geschäftsmäßig gekleidete Dame mittleren Alters hinter dem Empfangstresen schenkte mir ein freundliches Lächeln. Ich wurde in die Besucherecke komplimentiert. Auch hier zeugten mit Mahagoni verkleidete Wände und eine hochwertige Ledergarnitur davon, dass die Klientel des Unternehmens gut betucht sein musste. Noch während ich mich fragte, ob ich mir die Dienste der Müller Consult überhaupt leisten konnte, erschien ein gut gelaunter, hochgewachsener Mann. Mit den Worten „Herzlich willkommen, ich bin Ansgar Müller“ stellte er sich vor. Sein Händedruck war fest. Er mochte Anfang fünfzig sein, seine Haare waren mit grauen Strähnen durchsetzt und auf seinem Gesicht waren erste Altersflecken zu sehen. Ich wurde in sein Büro komplimentiert – ganz offensichtlich war seine Leidenschaft das Segeln. Wohin mein Blick auch wanderte, überall sah ich Segelschiffe. Kleine Modelle auf dem Sideboard und dem Schreibtisch sowie Fotografien an den Wänden
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Nachdem wir uns hingesetzt und einige unverbindliche Floskeln ausgetauscht hatten, kam er zur Sache. „Ich bin bereits im Bilde. Sie suchen eine neue Bank. Ohne eine gründliche Unternehmensanalyse kommen wir allerdings nicht weiter. Denn um zu wissen, wohin wir wollen, müssen
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