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Die Kanzlerkandidatin - Kriminalroman

Die Kanzlerkandidatin - Kriminalroman

Titel: Die Kanzlerkandidatin - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien>
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Wirtschaftsausschuss des Landtages übernehmen müsse. Wagners Bedenken wegen seiner unzureichenden Kompetenz in Wirtschaftsfragen wischte Marion Klaßen beiseite. „Das spielt keine Rolle. Die meisten Mitglieder des Wirtschaftsausschusses sind Lehrer oder Beamte, die von wirtschaftlichen Zusammenhängen nicht viel verstehen. Wen kümmert das schon.“
    Obwohl Wagner sich über ihre schnippische Art ärgerte, willigte er letztlich ein. So war es immer mit ihm. Er konnte einfach nicht Nein sagen.
    Der Ausschussvorsitzende, Mitglied der regierenden Sozialpartei, bat zu Beginn der Sitzung um eine Schweigeminute für Tobias Wächter. Für Wagner war es die vierte in drei Tagen. Mit der Pietät war es allerdings schnell vorbei. Schon beim ersten Tagesordnungspunkt kam es zu einem heftigen Schlagabtausch zwischen dem Vorsitzenden und Tanja Sommer, Wortführerin der Bürgerpartei im Ausschuss. Worte wie „Blindgänger“, „Ignorantin“ und „Traumtänzer“ fielen.
    Nach einigem Hin und Her kam man zu dem Schluss, dass keine Einigung zu erzielen war, und der nächste Tagesordnungspunkt – die bevorstehende Auslandsreise des Ausschusses – wurde aufgerufen. Der Vorsitzende schlug eine achttägige Erkundungsreise nach Brasilien und Argentinien vor. Frau Sommer plädierte für China und Korea. Die Abstimmung ging knapp zugunsten Südamerikas aus, worüber Wagner sich freute. Der frühere Regierungschef hatte die chinesische Partnerprovinz Anhui mehrfach besucht und Wagner hatte ihn begleitet. Brasilien und Argentinien waren hingegen Neuland für ihn. Der Vorschlag eines Abgeordneten, die Reise zur Karnevalszeit durchzuführen und Rio de Janeiro zu berücksichtigen, wurde einstimmig angenommen.
    Nach Ende der Sitzung – Wagner suchte noch seine Unterlagen zusammen – kam Tanja Sommer auf ihn zu, um ihn auf einen Cappuccino in die Markthalle einzuladen. Ihr Ärger über den Vorsitzenden, den sie als „Stinkstiefel“ bezeichnete, war noch nicht abgeklungen. Übergangslos brachte sie das Gespräch auf Tobias Wächter. Die weitverbreitete Gepflogenheit, über Tote nichts Schlechtes zu sagen, ließ sie nicht gelten.
    „Niemand hat es verdient, so erbärmlich zu Tode zu kommen. Andererseits …“ Sie schaute sich um, ob jemand ihnen zuhörte. Im Flüsterton fuhr sie fort: „Machen wir uns nichts vor: Tobias Wächter war ein Raffzahn. Ihm ging es immer nur um seinen materiellen Vorteil. Solange ich ihn kannte, hat er jeden Sommer in Baumgarts Villa auf Sylt Urlaub gemacht. Ich befürchte, dass die Ermittlungen einige Peinlichkeiten ans Licht bringen werden. Und was den Mord selbst angeht, ich habe kein gutes Gefühl. Was ist, wenn die Tat mit Wächters obskuren Geschäften zusammenhängt?“
    Obskure Geschäfte? Davon hörte Wagner zum ersten Mal. Mit Schrecken erinnerte er sich an den Mordfall Uwe Stein. Die illegalen Machenschaften des damaligen Spitzenkandidaten hatten die Partei in erhebliche Bedrängnis gebracht. Sie zu vertuschen hatte die Regierungspartei Schweigegeld in Form von Beförderungen und anderen Vergünstigungen gekostet. Nachdem die Bürgerpartei die Regierungsmacht und damit auch den Zugang zu lukrativen Posten, Bürgschaften und Fördermitteln verloren hatte, fiel diese Option weg. „Welche Geschäfte meinen Sie?“, fragte er.
    Ohne zu überlegen antwortete sie: „Rückvergütungsgeschäfte. Die Spatzen pfeifen es von den Dächern. Wächter und Baumgart sollen involviert gewesen sein.“
    „Sie sprechen von Korruption? Wenn alle Welt es weiß, wie Sie behaupten, weshalb ermittelt die Staatsanwaltschaft dann nicht?“
    Die Unternehmerin reagierte mit einem höhnischen Lachen. „Seien Sie doch nicht so naiv. Sie waren schließlich lange genug in der Staatskanzlei. Sie wissen doch, wie der Hase läuft.“
    „Selbst wenn Ihre Vermutung zutreffen sollte, dürfte das kaum ein Grund für einen Mord sein“, stellte Wagner fest. „Alle haben davon profitiert, bis auf die Steuerzahler, die die Zeche für die überhöhten Rechnungen zahlen mussten. Der Steuerzahlerbund als Mörder, also ehrlich, Frau Sommer.“
    „Mörder? Sprechen Sie über den furchtbaren Mord?“, erklang eine sonore Stimme hinter ihnen. Der Ausschussvorsitzende gesellte sich zu ihnen. Frau Sommer wurde mit einem gewinnenden Lächeln bedacht, Wagner hingegen ignoriert. Eine Einladung an die auf einmal „sehr geschätzte Frau Kollegin“ zu einem Glas Prosecco in die Markthalle folgte. Es gäbe einiges zu besprechen, die

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