Die Kanzlerkandidatin - Kriminalroman
wir erst einmal wissen, wo wir stehen. Einiges weiß ich bereits. Ihr Unternehmen ist am Markt etabliert und Spezialarmaturen werden immer gebraucht. Andererseits gilt heute mehr denn je, dass sich auch der Mittelstand der Globalisierung stellen muss. Der Wettbewerb wird immer härter. Chinesen und Inder erobern Märkte, die bislang den Europäern vorbehalten waren. Und das mit Erfolg.“
Er unterbrach sich kurz, um sich die Nase zu schnäuzen. „Ihre Firma muss sich einer schonungslosen Kosten-Nutzen-Analyse unterziehen, das Personal eingeschlossen. Tabus darf es keine geben! Wir machen keinen Unterschied zwischen Kapital, Menschen und Maschinen. Uns ist egal, an welcher Stellschraube letztlich gedreht wird. Wichtig ist, dass unterm Strich Ersparnisse herauskommen.“
„Mir geht es eigentlich nur darum, eine andere Bank zu finden“, bemerkte ich. Müller sprang auf und ging zu seinem Schreibtisch. Mit einer Mappe in der Hand kam er zurück und wedelte damit vor meiner Nase herum. „Einer unserer letzten Auftraggeber. Nach der Neufinanzierung spart das Unternehmen 40.000 Euro jährlich an Zins- und Tilgungsleistungen.“
„Und Ihr Honorar? Wie hoch war das?“ Ein ungnädiger Blick traf mich. Während Müller sich wieder hinsetzte, sagte er: „Unser Tagessatz liegt bei 2000 Euro, meistens reichen sechs bis sieben Tage, um einen Auftrag zu erledigen.“
Der Betrag schien mir vertretbar, zumal am Ende günstigere Kreditkonditionen herauskommen würden und ich meiner Hausbank den Rücken kehren könnte. Als ich eine Stunde später die Consultingfirma verließ, war der Vertrag unter Dach und Fach
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17
H ANNOVER , L ANDESKRIMINALAMT
M ÄRZ 2012
„Sie wollten mich sprechen?“ Abwartend blieb der Polizeibeamte im Türrahmen ihres zugigen Büros stehen. Seit Jahren hoffte Verena Hauser vergeblich auf die Reparatur ihrer Fenster. Aber am Jahresende war nie genug Geld da und vorher standen stets wichtigere Maßnahmen an. Das behauptete zumindest seit Jahren der Büroleiter.
Als sie ihren missmutigen Kollegen vor sich sah, bedauerte Verena nicht zum ersten Mal, dass ihre Kollegin Inga Schulz, Leiterin der KOST, zwei Monate Urlaub genommen hatte. Sie überspielte ihren Unmut mit einem aufmunternden Lächeln. „Bitte nehmen Sie doch Platz. Aber seien Sie so nett und schließen Sie zuvor noch die Tür. Es zieht wie Hechtsuppe. Um gleich auf den Fall zu sprechen zu kommen: Gibt es neue Spuren? Was ist mit der Tatwaffe?“
Der übergewichtige Beamte ließ sich schwer atmend auf den Stuhl ihr gegenüber fallen. „Wir können nicht hexen. Sie wissen doch um die Personalsituation in unserem Dezernat, Frau Hauser. Die Chefin ist im Urlaub, zwei meiner Leute sind längerfristig erkrankt und der neue Mitarbeiter muss eingearbeitet werden. Ich frage mich manchmal, was den Leuten auf der Polizeischule heutzutage beigebracht wird. Lernen sie überhaupt noch etwas oder vertrödeln sie einfach nur ihre Zeit?“
„Die Zeiten haben sich geändert, die Unterrichtsmethoden auch“, bemerkte Verena halbherzig. „Was können Sie mir nun über das Messer berichten?“
„Wie ich vermutet habe, handelt es sich um ein Automatikmesser aus Solingen, Marke Hubertus, mit einer Gesamtlänge von 18 cm. Die Klingenlänge beträgt 7 cm, brutal scharf, sag ich Ihnen. Kein Allerweltsmesser. Kostenpunkt um die hundertfünfzig Euro.“
„Sind Sie sicher, dass es sich um ein Hubertusmesser handelt?“
Er nickte. „So gut wie.“
„Gut, dann haben wir doch einen Ansatzpunkt für die Tätersuche“, stellte Verena fest.
„Das können Sie vergessen, Frau Kollegin. Mittels der Tatwaffe werden wir den Täter niemals finden. Was glauben Sie, wie viele von diesen Messern in Deutschland benutzt werden. Als Jagdmesser zum Beispiel. Erst der Täter, dann die Tatwaffe, so wird ein Schuh daraus.“
Jagdmesser? Verena fiel ein, gelesen zu haben, dass Baumgart in seiner Freizeit der Jagd nachging. Also doch eine Beziehungstat, in deren Folge der Unternehmer Wächter getötet hatte und anschließend untergetaucht war? Sie wandte ihre Aufmerksamkeit erneut ihrem Besucher zu. „Was schlagen Sie vor?“
Der Übellaunige massierte sein rechtes Ohr, schüttelte dann bedächtig den Kopf. „Tja … Ich denke, wir sollten Wächters Nachbarn noch einmal gründlich befragen. Vielleicht hat doch jemand etwas mitbekommen. Wissen wir inzwischen, mit wem er zuletzt telefoniert hat?“
„Sein letzter Anruf galt Hans Baumgart. Und wie wir inzwischen vom
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