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Die Kanzlerkandidatin - Kriminalroman

Die Kanzlerkandidatin - Kriminalroman

Titel: Die Kanzlerkandidatin - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien>
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Landtagspförtner erfahren haben, war Herr Baumgart um die Mittagszeit bei Tobias Wächter. Es soll nur ein Kurzbesuch gewesen sein, nach zehn Minuten ist er wieder gegangen. Ein Glück für uns, dass die Besuchszeiten so streng protokolliert werden müssen. Leider können wir Herrn Baumgart nicht selbst befragen, der ist seit gestern verschwunden.“
    Der Beamte starrte sie ungläubig an. „Sie sprechen vom Vorsitzenden der Baumgart Holding AG? Ist die Steuerfahndung etwa hinter ihm her?“ Sein schiefes Lächeln ließ seine gelblichen Zähne hervorblitzen.
    Verena musste schlucken. Schon wieder das undefinierbare Unwohlsein. Beim Gedanken an die Magenspiegelung, die ihr demnächst drohte, verspürte sie Angst. Was, wenn es etwas Ernstes war? Ein Geschwür oder etwas noch Schlimmeres? So ungerecht durfte das Leben einfach nicht sein. Nach Jahren, in denen in ihrem Privatleben Chaos und in ihrem Liebesleben Flaute geherrscht hatten, waren endlich Harmonie und Einklang eingekehrt.
    Aufmerksame Augen musterten sie. „Geht es Ihnen nicht gut? Sie sehen blass aus.“
    „Mit mir ist alles in Ordnung, danke“, log sie. „Nein, keine Steuerfahndung, vermutlich auch keine Entführung. Bis jetzt hat sich jedenfalls kein Entführer gemeldet. Er ist vor zwei Tagen auf einer Geschäftsreise mit dem ICE nach Berlin verschwunden. Ich frage mich, ob sein Verschwinden mit dem Mord zu tun hat.“
    Das Handy des Beamten machte sich mit einem Kikeriki bemerkbar. „Sorry“, entschuldigte er sich. „Meine Tochter macht sich einen Spaß daraus, den Klingelton zu verstellen.“ Nach einem prüfenden Blick auf das Display verabschiedete er sich hastig. „Ich melde mich, sobald es etwas Neues gibt“, versprach er im Hinausgehen.
    Es waren keine fünf Minuten vergangen, da tauchte Kleinsorge in Verenas Büro auf. Seit seiner Beförderung zum Oberkommissar war er hoch motiviert. Das Passwort von Wächters Notebook entlarvte er als schlechten Witz – „Tobias“. Er hatte weniger als eine Minute gebraucht, um es zu knacken. Was er allerdings vorgefunden hatte, war nicht sehr befriedigend. Dateien zum demografischen Wandel, Berichte von Forschungsinstituten und von Eurostat, Politikerreden, Briefwechsel mit regionalen Seniorenverbänden und frustrierten Wählern aus Wächters Wahlkreis. Die übliche Politikerschelte also, mehr nicht – als Mordmotiv gänzlich untauglich.
    Verena erkundigte sich nach Wächters E-Mails. Kleinsorge war noch nicht dazugekommen. Sie reagierte gereizt. „Die E-Mails haben Vorrang, das hätte Ihnen klar sein müssen. Mich interessiert vor allem der Mailverkehr mit Hans Baumgart. Ach ja, und der mit seinem Abgeordnetenkollegen Stutz.“
    „Ich kann nicht hexen, Chefin“, sagte Kleinsorge. Das hörte sie nun schon zum zweiten Mal an diesem Vormittag. Die Ausreden ihrer Mitarbeiter wurden auch immer einfallsloser.
    „Nein, aber vielleicht in Zukunft strukturierter arbeiten und Wichtiges vorziehen“, stellte Verena trocken fest. Als ihr Mitarbeiter gegangen war, rief sie Frau Wächter an, um sich mit ihr für den folgenden Tag zu verabreden. Sie war gespannt, was die Witwe zu ihrem Verhältnis mit Baumgart zu sagen hatte.

18
H ANNOVER , L ANDTAG
    Frau Stigler lächelte – und das Lächeln galt ihm. Wann hatte es das schon einmal gegeben? „Gute Nachrichten, Herr Wagner. Es hat geklappt, ich kann im nächsten Monat im Büro der Fraktionsvorsitzenden anfangen. Vielen Dank für den Tipp“, sagte sie.
    „Gern geschehen“, antwortete Wagner artig und ärgerte sich im Stillen über sein Helfersyndrom. Wenn die Stigler im Vorzimmer von Marion Klaßen ein ähnlich hochnäsiges Benehmen an den Tag legte wie beim früheren Parteivorsitzenden, standen den Abgeordneten schlechte Zeiten ins Haus. Und überhaupt, was würde Pietro dazu sagen? Er war zwar nicht der Hellste, aber immer gut gelaunt und hilfsbereit. Wollte Marion Klaßen ihn trotz der heißen Affäre mit ihm loswerden? War sie seiner überdrüssig? Wagner wusste von früheren Liebhabern, die sie eiskalt abserviert hatte, wenn sie ausgedient hatten. Aber all das ging ihn nichts an, er hatte andere Sorgen. Zu der anstehenden Scheidung kam die Sorge um seine Mutter, die gestern Abend mit Verdacht auf Herzinfarkt ins Krankenhaus eingeliefert worden war. Am liebsten wäre er auf der Stelle nach Wilhelmshaven gefahren, um seinen betagten Eltern zur Seite zu stehen, sein voller Terminkalender ließ das jedoch nicht zu. „Ich würde gerne Näheres über die

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