Die Kanzlerkandidatin - Kriminalroman
stand. Ich kam nicht dazu, meine Vorwürfe loszuwerden, da er sofort das Wort ergriff. „Ich war keinesfalls untätig, falls Sie das annehmen sollten, Herr Heidkamp. Ich habe die letzten Tage genutzt, um mir ein umfassendes Bild von Ihrer Firma zu verschaffen, und möchte Ihnen einen Vorschlag unterbreiten.“
Gott sei Dank, er hat eine andere Bank gefunden, dachte ich im ersten Moment. Ich habe ihm unrecht getan. Die Krankmeldungen haben nichts mit ihm zu tun. Seine folgenden Worte riefen ein Gefühl der Bestürzung hervor. „Es sieht nicht gut aus, Herr Heidkamp. Um es auf den Punkt zu bringen: Ihr Unternehmen ist zahlungsunfähig.“
Ich spürte, wie mir das Blut in den Kopf schoss. Was redete Müller da? Zahlungsunfähig? Wie konnte er so etwas behaupten? Der Blick in sein Gesicht machte mir klar, dass er es ernst meinte. „Wie bitte?“, brach es schließlich aus mir heraus. „Selten habe ich so einen Stuss gehört. Das ist ja eine tolle Unternehmensberatung. Glauben Sie ja nicht, dass ich dafür auch nur einen Cent zahle. Zahlungsunfähig! Ein Witz ist das. Allein der Wert der Maschinen und der stillen Reserven ist um ein Vielfaches höher als der Schuldenstand und …“
Er ließ mich nicht ausreden. „Stille Reserven lassen sich nicht verkaufen, und was den Wert der Maschinen betrifft, wäre ich mir nicht so sicher. Es gibt modernere und leistungsfähigere Anlagen!“ Als ich ansetzte, um zu widersprechen, ging er dazwischen. „Hören Sie sich doch erst einmal meinen Vorschlag an. Er soll nicht zu Ihrem Schaden sein.“ Der Vorschlag, den er mir dann unterbreitete, war unerhört, vermutlich sogar kriminell. „Gehen Sie noch morgen früh zum Amtsgericht und melden Sie Insolvenz an, Herr Heidkamp. Legen Sie einen richtig schönen Konkurs hin! Ich sorge dann dafür, dass ich als Konkursverwalter eingesetzt werde, und am Ende bleibt ein satter Gewinn. Ich will keine falschen Versprechungen machen: Aber eine Million dürfte für jeden von uns dabei herausspringen. Bei mir wird es unterm Strich etwas weniger sein, der Konkursrichter will schließlich auch bedacht sein.“
Mir verschlug es die Sprache. In welche zwielichtigen Machenschaften war ich hier bloß hineingeraten? Ich rang mich zu einer Antwort durch. „Meine Firma steht gut da und die Auftragslage ist ergiebig, davon konnten Sie sich selbst überzeugen.“
„Wenn Ihre Kunden zahlen würden, wäre es so. Tun sie aber nicht. Einen Ausfall hatten Sie bereits. Was, wenn ein weiterer Großkunde ausfällt? Dann sieht es verdammt schlecht für Sie aus. Wenn Sie klug sind, gehen Sie auf meinen Vorschlag ein, Herr Heidkamp.“
Es fiel mir schwer, mich am Riemen zu reißen. Meine Stimme drohte zu kippen. „Ihren Vorschlag können Sie sich an den Hut stecken. Das kommt überhaupt nicht infrage. Es geht nicht nur um mich, es stehen Arbeitsplätze auf dem Spiel.“
Ein gehässiges Lächeln umspielte die Lippen des Beraters. Warum hatte ich nicht gleich bemerkt, dass er die Augen einer Ratte hat? Dieser Mann war brandgefährlich. Wie konnte ich mich nur auf ihn einlassen?
„Herr Heidkamp, wollen Sie nun den Gutmenschen geben oder Ihre Haut retten? Ihre Leute bekommen doch eh Konkursausfallgeld. Und wer weiß, vielleicht gelingt es mir als Konkursverwalter sogar, einen neuen Kapitalgeber zu finden. Dann wird die Firma weitergeführt und die meisten Ihrer Leute können bleiben, die Alten und Kranken natürlich nicht. Aber da würde ich mir keine grauen Haare wachsen lassen, um die kümmert sich Vater Staat.“
Ich musste mich beherrschen, um nicht aufzuspringen und dem Kerl die Visage zu polieren. Stattdessen sagte ich mit erstaunlich ruhiger Stimme: „Verlassen Sie sofort mein Büro und betreten Sie nie wieder meine Firma. Niemals, verstanden!“
Mein Rausschmiss beeindruckte ihn nicht im Geringsten. Seine Miene blieb gelassen. „Überlegen Sie sich meinen Vorschlag gut, Herr Heidkamp. Bis morgen warte ich auf Ihre Antwort. Aber nicht länger, dann …“ Der Blick, mit dem Müller mich musterte, irritierte mich. Eine eigenartige Mischung aus Verärgerung und Mitleid. Weshalb hatte er Mitleid mit mir? Mitleid hat man mit Gegnern, die am Boden liegen. Ich aber lag nicht am Boden, ich war Inhaber einer erfolgreichen Firma mit vollen Auftragsbüchern. Als er aufstand und Anstalten machte zu gehen, erhob ich mich ebenfalls. „Bevor Sie gehen, möchte ich die Vollständigkeit der Firmenunterlagen überprüfen.“
Ohne ein Wort zu wechseln, gingen wir
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