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Die Kanzlerkandidatin - Kriminalroman

Die Kanzlerkandidatin - Kriminalroman

Titel: Die Kanzlerkandidatin - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien>
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verhinderte weitere Enthüllungen der aufgebrachten Dame. Der Präsident der Unternehmerverbände trat ans Mikrofon. Nach Lobeshymnen in Richtung der Frau Gemahlin des Ministerpräsidenten meinte er, dass dieser schöne Frühlingsabend für Reden nicht geschaffen sei. Gemeinsam wolle man daher das Lied der sturmfesten und erdverwachsenen Niedersachsen anstimmen. Dieses Mal fiel der Beifall deutlich stärker aus. Mit dem Niedersachsenlied hatten die sangesfreudigen niedersächsischen Unternehmer auf Delegationsreisen nach Japan, Russland, ja sogar nach China und Dubai für Furore gesorgt.
    Der Präsident erhob erneut seine Stimme. „Die verehrte Frau Gemahlin des Herrn Ministerpräsidenten hat sich bereit erklärt, assistiert vom Chefdirigenten des Opernhauses, den Taktstock zu schwingen.“
    „Sag ich doch die ganze Zeit“, schimpfte die Frau hinter Wagner. „Sie tanzt allen auf der Nase herum. Der Regierungschef ist nur ihr Dödel.“
    „Pst“, zischelte jemand. Dann wurde das Niedersachsenlied angestimmt. Nach dreimaligem, lautstarkem Absingen, wobei der Ton trotz Taktstocks der Gattin des Ministerpräsidenten wiederholt verfehlt wurde, erklärte der Präsident das Buffet für eröffnet. Wagner, dessen Kehle vom vielen Singen ganz trocken geworden war, ging zum Bierstand und schüttete auf die Schnelle zwei Pils hinunter.
    Auf der erneuten Suche nach Rolf Schlenkermann schlenderte er durch die Reihen dicht besetzter Tische. An einem der Stehtische neben dem Eisstand entdeckte er endlich den Unternehmer, der mit dem Wirtschaftsminister in ein Gespräch verwickelt war. Wagner stellte sich mit wohldosiertem Abstand daneben. Die beiden ließen sich durch seine Anwesenheit nicht stören. Sie redeten und redeten. Schlenkermanns Worten war zu entnehmen, dass es Schwierigkeiten mit einem Bauvorhaben gab und der Unternehmer verstockte Beamten des Straßenbauamtes als Schuldige ausgemacht hatte. Der Minister versprach immer wieder: „Ich werde das meinen Leuten sagen.“
    Es mochten zehn Minuten vergangen sein, als der persönliche Referent des Ministers auftauchte. Der Pressefotograf der Allgemeinen Niedersachsenzeitung wollte ein Foto vom Minister für die morgige Ausgabe. Sofort setzte der Politiker sein strahlendstes Lächeln auf und verabschiedete sich hastig.
    Der Unternehmer wandte sich Wagner zu. „Wollten Sie zu mir?“ Das hatte auch schon freundlicher geklungen. Musste wirklich jeder in diesem Land ihn spüren lassen, dass er nicht mehr wichtig war?
    „So ist es, ich interessiere mich für das Klinikvorhaben in Bad Pyrmont. Wie weit ist denn das Bauvorhaben?“
    Eine Hypothese, die sich als richtig erweisen sollte. Schlenkermann wusste Bescheid, seine Antwort kam wie aus der Pistole geschossen. „Da müssen Sie Herrn Baumgart selber fragen, er ist der Bauherr“, blaffte der Unternehmer ihn an.
    „Den kann ich nicht erreichen, und da dachte ich, dass Sie mir vielleicht weiterhelfen können. Sie sind doch enge Geschäftspartner?“
    „Ja, das heißt aber noch lange nicht, dass ich sein Wachhund bin“, knurrte Schlenkermann. „Außerdem gebe ich grundsätzlich keine Auskunft über Bauprojekte, sondern überlasse das den Bauherren.“ Er wippte ungeduldig mit den Füßen auf und ab und ließ seinen Blick auf der Suche nach einem anderen Gesprächspartner durch die angeregt plaudernde Menge schweifen. Als er die Journalistin Bianca Fröhlich entdeckte, die wenige Meter von ihnen entfernt an einem Bistrotisch stand, vor sich einen mit Garnelen und Salaten voll bepackten Teller, drehte er sich um und steuerte die Journalistin an. „Tschüss dann“, brummelte er im Weggehen.
    Wagner schwor sich, es dem arroganten Kerl heimzuzahlen, sollte er jemals wieder zu politischer Macht kommen. Er schlenderte noch eine Weile durch die anregend plaudernde Menschenmenge, doch niemand sprach ihn an. Früher war er bei solchen Gelegenheiten nie lange allein geblieben. Natürlich war es Wagner immer bewusst gewesen, dass die Menschen nicht ihn, sondern sein Amt meinten, wenn sie um seine Gunst buhlten. Und doch deprimierte ihn die Erfahrung, aufs gesellschaftliche Abstellgleis geschoben worden zu sein.
    Er ging als einer der ersten Gäste. In Sachen Baumgart hatte er nichts erreicht. Doch Wagner war fest entschlossen, nicht aufzugeben. Er war nach wie vor davon überzeugt, dass der Besuch des Großinvestors im Landtag wenige Stunden bevor Wächter ermordet worden war, kein Zufall sein konnte. Und Frau Stigler hatte eine

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