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Die Kanzlerkandidatin - Kriminalroman

Die Kanzlerkandidatin - Kriminalroman

Titel: Die Kanzlerkandidatin - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien>
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wahrgenommen.
    In ihre Gedanken hinein sagte Schuster: „Das scheint kein leichter Fall zu werden. Doppelmord, ein bedeutender Politiker und ein schwerreicher Unternehmer, die enge Kontakte hielten. Und obendrein hatte die Witwe des ersten Mordopfers mit dem zweiten Opfer ein Verhältnis gehabt. Bleibt die Frage allerdings, weshalb der Unternehmer ausgerechnet hier, fast eine Fahrtstunde von Berlin entfernt, erstochen wurde.“
    Sofort drängte sich Verena der Gedanke an Boris Milner auf. Hatte Milner seinen Geschäftspartner umbringen und die Leiche in dieses abgelegene Waldstück bringen lassen? Auszuschließen war es nicht. Am Stadtrand von Eberswalde bog der Polizeibeamte in eine Nebenstraße ein. Vor einem gelb gestrichenen Haus mit grünen Fensterläden und gleichfarbiger Haustür hielt er an. In dem gepflegten Vorgarten lud eine Sitzbank zum Verweilen ein. „Das Haus meiner Cousine“, sagte er. Hier könnte ich Urlaub machen, ging es Verena durch den Kopf. Seine nächste Frage überraschte sie. „Am Freitagabend gehen meine Frau und ich immer zum Italiener, das Wochenende einläuten. Wollen Sie nicht mitkommen?“ Sie hatte sich schon auf einen einsamen Abend in einer der Innenstadtgaststätten eingestellt und sagte freudig zu.
    Von ihrem gemütlich eingerichteten Zimmer aus versuchte sie Jürgen anzurufen. Er war nicht zu Hause und auch sein Handy war ausgeschaltet. Sie nahm sich vor, es nach dem Essen noch einmal zu probieren.
    Der Abend verlief angenehm. Schusters Frau, Abteilungsleiterin in einem Kaufhaus und äußerst lebhaft, kannte Hannover. Sie berichtete von Lehrgängen im Berufsbildungszentrum für den Einzelhandel in Springe bei Hannover. Es hatte ihr gut gefallen, nicht nur die Ausbildung, auch die Umgebung, ganz besonders der Deister, das nördlichste Mittelgebirge Deutschlands. Sie hatte sich vorgenommen, im Sommer dort einige Tage Wanderurlaub mit ihrem Mann zu verbringen, verriet sie Verena.
    Nach dem zweiten Glas Rotwein wurde auch der bis dahin zurückhaltende Schuster gesprächiger. Gebannt lauschte sie seinen Erzählungen aus seiner Vergangenheit als Begleitschutz von Erich Honecker und anderen DDR-Größen. „Sie haben in einem Kokon gelebt, weitab von der Wirklichkeit, und sich ihre eigene Realität geschaffen“, urteilte er. Viel anders ist es bei uns auch nicht, dachte Verena. Jedoch mit dem gravierenden Unterschied, dass wir frei sind und keine Mangelwirtschaft haben.
    „Im persönlichen Umgang waren sie nicht besonders schwierig“, fuhr Schuster fort. „Einige waren allerdings extrem eitel, fast schon narzisstisch. Und offene Kritik, das ging gar nicht. So wie die Deutschen heutzutage mit ihren Politikern umgehen, wäre es bei uns unvorstellbar gewesen. Wir waren ein Volk der Flüsterer. Nur im allerengsten Kreis konnten wir offen reden, und selbst da musste man aufpassen.“
    Realitätsfern, abgehoben, kritikunfähig? Hatte Stollmann, der einige Zeit als Begleitschutz für Politiker gearbeitet hatte, nicht ähnliche Worte gebraucht?
    „Wir von der Stasi haben uns mitschuldig gemacht. Ohne uns wäre die Diktatur früher kollabiert. Wenn wir aufgemuckt hätten …“ Schusters Stimme verlor sich. Auf seinem Gesicht lag ein Schatten.
    Verena verspürte den Drang, ihm etwas Nettes zu sagen. Er erinnerte sie immer mehr an Stolli. Weshalb war nicht er Stollis Nachfolger geworden, sondern der Widerling Hetzel? „Zivilcourage ist auch in der westdeutschen Beamtenschaft keine weitverbreitete Tugend. Ich glaube kaum, dass wir im Westen uns anders verhalten hätten“, sagte sie und war drauf und dran, ihrem Kollegen in Sachen Milner reinen Wein einzuschenken. Doch dann mischte sich Schusters Frau ein.
    Sie hatte von dem Gerede genug. „Hört endlich mit der Vergangenheit auf und lasst uns lieber über etwas Schöneres reden!“, forderte sie die Polizeibeamten auf und sprach von ihrem bevorstehenden Urlaub im Deister.
    Zurück in ihrer Pension, unternahm Verena einen zweiten Versuch, Jürgen zu erreichen. Vergeblich. Wo mochte er um diese späte Zeit nur sein? Es ging immerhin auf Mitternacht zu. Sofort entstand bei ihr Misstrauen. „Unsinn“, schalt sie sich dann. „Jürgen ist anders als Franz. Er würde mich niemals betrügen.“

25
H ANNOVER
    Der Großinvestor Baumgart ist tot!
    Einer der reichsten Männer des Landes wurde ermordet.
    Wenige Tage nachdem der Abgeordnete Tobias Wächter, Aufsichtsratsmitglied der Baumgart Holding, erstochen vor seinem Haus in Isernhagen

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