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Die Kanzlerkandidatin - Kriminalroman

Die Kanzlerkandidatin - Kriminalroman

Titel: Die Kanzlerkandidatin - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien>
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aufstieß, der Verzicht auf Alkohol oder auf seine heiß geliebten Mandelhörnchen, hämmerte sein Arzt schon wild entschlossen in die Tasten seines Computers. Das Ergebnis war erbarmungslos: nur noch 1200 Kalorien am Tag. Butter, Eier, Fleisch, Süßigkeiten, Wein und Bier waren komplett gestrichen. Stattdessen hieß es, Salat, Obst und Gemüse zu sich zu nehmen, alles von Wagner nicht sonderlich geschätzt. Dazu ein äußerst lästiges Bewegungsprogramm: zweimal wöchentlich 20 Kilometer Radfahren, außerdem jeden zweiten Tag ins Fitnessstudio.
    Wagner verspürte nicht die geringste Lust, die ärztlichen Verhaltensmaßregeln umzusetzen, und nahm die Broschüre über Ernährung und Bewegung im Alltag nur widerwillig entgegen.
    Sein Arzt setzte nach. „Denken Sie an Ihren früheren Chef. Herr Bitter hat meine Ratschläge in den Wind geschlagen und jetzt ist er tot. Herzinfarkt mit Anfang sechzig. Er hätte noch gut und gerne zwanzig Jahre leben können. Ich will den Teufel nicht an die Wand malen, Herr Wagner, aber ich befürchte …“
    Der Satz blieb unvollendet. Die Warnung hatte ihren Zweck erfüllt. Seinen ehemaligen Chef vor Augen beschloss Wagner, noch am selben Tag mit dem ärztlich verordneten Programm zu beginnen. Anstelle des Landtages steuerte er nach dem Verlassen der Arztpraxis ein Fachgeschäft in der Innenstadt an. Der Verkäufer empfahl ihm ein Fitnessbike mit Sportlaufrädern, 18-Gang-Schaltung und Kilometerzähler. Ein Sonderangebot zum Preis von 899,99 Euro. „Ein ausnehmend günstiger Preis“, meinte der Verkäufer und schwatzte ihm noch einen Fahrradhelm, eine wasserabweisende, atmungsaktive Windschutzjacke und ein Pulsmessgerät für insgesamt 289,90 Euro auf. Für die Gesundheit dürfe nichts zu teuer sein, betonte er, als Wagner an der Kasse die Kreditkarte zückte.
    Der Landtagspförtner riss erstaunt seine Augen auf, als ausgerechnet der als Bewegungsmuffel verschriene Abgeordnete mit dem Fahrrad vorfuhr. Im Foyer kam diesem eine aufgelöste Frau Stigler entgegen. „Ich versuche schon den ganzen Vormittag, Sie zu erreichen. Kein Mensch wusste, wo Sie waren, und Ihr Handy war auch ausgeschaltet.“
    Was sollte das nun wieder? Er war der Dame keine Rechenschaft schuldig oder hatte sie schon das Zepter übernommen, wie damals in der Parteizentrale, und spielte sich auf?
    Ihre nächsten Worte waren jedoch ein Schock für ihn. „Die Fraktionsvorsitzende möchte Sie dringend sprechen. Es geht um den Mord an Baumgart.“
    Baumgart ermordet? Wagner spürte, wie sich seine Brust zusammenzog. Er bekam kaum noch Luft! Seine Knie fühlten sich an wie Wackelpudding. Sollte sein Arzt recht behalten und sein Herz verrücktspielen, ausgerechnet hier im Landtag? Er musste sich am Riemen reißen. Bloß vor der Stigler keine Schwäche zeigen. Allmählich beruhigte sich sein Atem.
    „Geht es Ihnen nicht gut?“, erkundigte sie sich. Aus ihren Augen sprach kein Mitgefühl, sondern kühl kalkulierte Neugierde.
    Nein, es geht mir verdammt noch mal beschissen, hätte er gerne geantwortet. Erst wird Wächter ermordet, wenige Stunden nachdem er mir ein Geheimnis anvertrauen wollte, und kurz darauf Baumgart, der Wächter in seinem Büro aufgesucht hatte. Er rief sich die Worte des Abgeordneten in Erinnerung. „Ich lasse mich nicht umstimmen!“, hatte Wächter dem Unternehmer an den Kopf geworfen und beide hatten erregt gewirkt. Worum war es bei dem Gespräch nur gegangen? Ihm fiel erneut die Klinik ein. Er würde noch heute dorthin fahren, etwas in seinem Inneren sagte ihm, dass er dort auf eine Lösung stoßen würde.
    Frau Stigler machte sich durch ein Räuspern bemerkbar.
    „Alles bestens, ich habe mich wohl beim Sport übernommen“, flunkerte er.
    „Dann kommen Sie am besten gleich mit. Frau Klaßen muss in einer halben Stunde weg, ein Termin im Finanzministerium.“
    Wagner folgte ihr auf dem Fuß. Er war so durcheinander, dass ihm nicht einmal die Abwesenheit des Schönlings Pietro auffiel.
    Marion Klaßen sah ungewohnt angespannt aus. Der Tod Baumgarts schien ihr nähergegangen zu sein als der Mord an ihrem gemeinsamen Kollegen Wächter. „Kommen Sie herein, wir müssen reden“, forderte sie ihn auf, bevor sie die Tür vor Frau Stigler zuknallte.

26
L ÜGDE BEI B AD P YRMONT
    Mit jedem Kilometer, mit dem er sich von der Landeshauptstadt entfernte, sank Wagners Anspannung. Endlich konnte er sich ein Bild von der Klinik machen, die ihn seit der Ermordung Wächters nicht mehr losließ.
    Das hinter

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