Die Kanzlerkandidatin - Kriminalroman
Persönlichkeiten des Landes, war tot. Das rief die Medien auf den Plan.
Um die Leiche herum waren mehrere Polizisten in weißen Schutzanzügen damit beschäftigt, Spuren sicherzustellen. Einige Meter entfernt standen zwei in ein Gespräch vertiefte Männer. Verena ging auf sie zu und stellte sich vor. Der Jüngere musterte sie abschätzend, während der Ältere weniger abweisend war und ihr die Hand gab. Mit seiner nachlässigen Kleidung und den ungekämmten Haaren erinnerte er Verena an Stollmann. „Jan Schuster, verantwortlicher Ermittlungsleiter“, stellte er sich vor. „Der Direktor hat mich schon angerufen. Sie sind aus Niedersachsen?“
Verena nickte und erläuterte den Grund ihres Besuchs. Ihr Kollege hörte konzentriert zu. Als sie mit ihrem Kurzbericht fertig war, verdeutlichte dieser die Rolle des LKA Brandenburg in diesem Fall: „Wenn die kriminaltechnische Untersuchung ergibt, dass es sich um ein und dieselbe Tatwaffe handelt, geben wir die Federführung an Sie ab. Aber eines ist klar: Wir sind weiter mit im Spiel. Schließlich wurde der Mann in Brandenburg erstochen. Die Leiche wird in Kürze in die Gerichtsmedizin überführt. Zum Glück für die Spusi regnet es heute ausnahmsweise nicht.“
„Ich würde gerne selbst mit dem Gerichtsmediziner sprechen“, stellte Verena klar.
„Der ist bereits gegangen, er wird aber noch heute mit der Obduktion beginnen. Wenn Sie möchten, können wir ihm gerne gemeinsam morgen früh einen Besuch in der Gerichtsmedizin abstatten“, schlug ihr Kollege vor. Verena wollte, auch wenn sich bei dem Gedanken an Jürgen ihr schlechtes Gewissen meldete. Sie hatten sich fürs Wochenende einiges vorgenommen. Endlich sollten die letzten Kisten ausgepackt werden. Jetzt würde sie vermutlich erst am späten Samstagabend zurückkommen.
Als sie näher an die Leiche herantreten wollte, wurde sie von einem der Beamten in Schutzanzug harsch aufgefordert, sich vorzusehen. Sein Tonfall erinnerte sie sofort an die Stasi. So ähnlich hatten sie vermutlich mit Renitenten gesprochen. „Ich hätte mich schon vorgesehen. Es ist nicht meine erste Leiche“, erklärte sie dem unfreundlichen Kollegen.
Baumgart sah friedlich aus. Nichts wies auf einen Kampf hin. Verena trat näher. Jetzt, wo sie nach Jahren endlich das Okay ihrer Dienststelle hatte, ihn zu vernehmen, würde er nichts mehr sagen können. Welche Ironie des Schicksals! Ihre Fragen zu seinem Verhältnis zu Wächter und vor allem zu dessen Ehefrau würden ebenso unbeantwortet bleiben wie die nach gemeinsamen Geschäften.
Kollege Schuster wollte wissen, ob sie bereits eine Unterkunft in Eberswalde gefunden habe. Als sie verneinte, bot er an, sie zu einer Cousine zu fahren, die eine kleine Pension betrieb. Der jüngere Polizeibeamte wurde zurückgelassen.
Auf der Rückfahrt nach Eberswalde informierte ihr Kollege sie mit knappen Worten über die bisherigen Erkenntnisse. Baumgart war vermutlich seit vierzehn Stunden tot, vielleicht auch sechzehn. Die Leichenstarre hatte bereits eingesetzt. Fest stand auch, dass Baumgart erstochen worden war. Zwei gezielte Messerstiche mitten ins Herz. Verena berichtete ihrerseits über den Ermittlungsstand im Mordfall Wächter und die Beziehungen zwischen den Ermordeten. Auch den Hinweis, dass Wächters Frau Baumgarts Geliebte gewesen war, ließ sie nicht aus. Ebenso wenig Baumgarts Einfluss auf die Politik und die Tatsache, dass der ermordete Politiker einen gut dotierten Aufsichtsratsposten in der Baumgart Holding gehabt hatte.
Schuster griff das Wort Politik auf. „Mit Politik habe ich es nicht mehr so. Ich bin froh, dass das hinter mir liegt. Ich war einige Jahre Personenschützer, das reicht für den Rest meines Lebens. So wie Sie es schildern, bestanden zwischen den Ermordeten enge Beziehungen. Aber Sie werden das geschäftliche Umfeld bereits auf mögliche Täter und Motive abgeklopft haben?“
„Versucht haben wir es. Bislang leider ohne Erfolg. Hans Baumgart hat Tobias Wächter, kurz bevor er vor seinem Wohnhaus in Isernhagen ermordet wurde, im Landtag aufgesucht. Er war ein wichtiger Zeuge für uns. Ich bin seit Tagen hinter ihm her, um mit ihm zu sprechen.“ Sie wusste nicht, was es war, aber irgendetwas hielt Verena davon ab, Baumgarts Kontakte zu Boris Milner zu erwähnen. Vielleicht tat sie Schuster unrecht, aber Milner hatte letztendlich einige Jahre im Dienst des KGB in der DDR verbracht und Schuster eine vertrauensvolle Position in unmittelbarer Nähe zum Politbüro
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