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Die Kanzlerkandidatin - Kriminalroman

Die Kanzlerkandidatin - Kriminalroman

Titel: Die Kanzlerkandidatin - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien>
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müsst“, hatte der Fahrer, ein finsterer Kerl aus Nairobi, geknurrt. Und das Essen, das ihm seine Mutter mitgegeben hatte, war in der Bruthitze schnell schlecht geworden. Zusammen mit neunzehn weiteren Personen, eingepfercht im brütend heißen Laderaum des schrottreifen Lastwagens, hatten sie die beschwerliche Fahrt nach Kufra unternommen. Die meisten seiner Mitreisenden waren seit mehr als einer Woche unterwegs, größtenteils zu Fuß. Viele kamen aus Darfur und flüchteten vor dem Krieg und Hunger. Taban war der Einzige aus Rabak, obwohl viele seiner sudanesischen Altersgenossen ebenfalls auf eine Gelegenheit warteten, nach Europa auszuwandern. Seit der Unabhängigkeit des Südsudans herrschte in den Grenzregionen Bürgerkrieg. Auch die Gegend um Rabak war von den Folgen nicht verschont geblieben.
    „Kannst du nun schwimmen oder nicht?“ Umar war hartnäckig.
    Taban zögerte. „Warum fragst du?“
    „Weil die Überfahrt übers Meer noch vor uns liegt und die Bootsführer Schiss vor der italienischen Wasserpolizei haben. Es kommt vor, dass sie die Flüchtlinge zwingen, von Bord zu springen und an Land zu schwimmen. Das schafft aber kaum einer, die meisten gehen unter. Wenn du Glück hast, fischt ein Fischkutter dich auf und nimmt dich mit an Land.“
    Taban starrte ihn entsetzt an. Das hatte ihm niemand gesagt, nicht einmal Onkel Hassan, und der wusste immer alles. „Wieso? Wir bezahlen doch für die Überfahrt bis nach Italien. Sie können uns nicht einfach …“
    „Was glaubst du denn, mit wem du es zu tun hast?“, belehrte ihn der Ältere. „Für diese Menschenhändler sind wir nichts weiter als ihre Ware. Die sind keinen Deut besser als früher die Sklavenhändler. Ob wir lebend ankommen oder nicht, geht denen am Arsch vorbei. Die Masse zählt und nicht der Einzelne. Hinter allem steckt die Mafia, die ein Schweinegeld mit uns Flüchtlingen verdient. Menschenhandel nennen die das.“
    Taban war mulmig zumute. Worauf hatte er sich da bloß eingelassen? Dann besann er sich. Umar hatte die Reise nach Deutschland bereits einmal überstanden. Warum also sollte er es nicht auch schaffen? Er musste es einfach schaffen, das war er seiner Familie schuldig. Vielleicht übertreibt Umar auch, hoffte Taban im Stillen.
    „Das Wichtigste ist, dass wir ein Boot nach Italien finden“, fuhr Umar fort. „Malta ist scheiße, die schicken dich sofort wieder zurück. Die Italiener tun zwar auch so als ob, aber dann lassen sie dich laufen. Sie drücken dir ein Schreiben in die Hand, in dem du aufgefordert wirst, das Land binnen zwei Wochen zu verlassen. Es fragt aber kein Schwein, in welche Richtung du dich aufmachst, ob zurück in deine Heimat oder in den Norden. Also gehst du Richtung Norden nach Österreich und weiter nach Deutschland. Und wenn du erst einmal in Deutschland bist, hast du es geschafft. Dort gibt es Anwälte, die dafür sorgen, dass du nicht mehr ausgewiesen wirst.“
    Taban konnte nicht umhin, seinen Landsmann zu bewundern. Er wusste wirklich sehr gut Bescheid. „Wie weit ist es von Italien nach Deutschland?“, erkundigte er sich.
    „Von Sizilien aus sind es nur noch zwei Tagereisen bis nach Deutschland. Das Weiterkommen geht viel schneller als bei uns, dort gibt es Autobahnen und keine Grenzen und vor allem keine Straßenkontrollen.“
    Taban hörte andächtig zu. Umars Kenntnisse beeindruckten ihn. „Warum bist du eigentlich abgeschoben worden?“, fragte er.
    Umar zuckte mit den Achseln. „Blöd gelaufen, ich bin beim Dealen erwischt worden. Dieses Mal kriegen sie mich aber nicht. Wenn du willst, kannst du gerne bei uns mitmachen. Die Arbeit ist nicht schwer und schon gar nicht so anstrengend wie in dem beschissenen Zementwerk, in dem du malocht hast. Und München ist toll. Die Straßen haben abgetrennte Bürgersteige, es liegt nirgends Müll herum und die Geschäfte sind sehr schön, keine Bretterbuden und Straßenstände wie bei uns zu Hause. Nur das Wetter ist schlimm, es ist fast immer kalt und es regnet viel.“
    Taban sperrte seine Ohren auf. Was machte schon Regen und Kälte, wenn er viel Geld verdiente. Geld, das er seiner Familie schicken konnte. Egal, was Umar ihm einzureden versuchte, dealen stand nicht auf seinem Plan, ganz und gar nicht. Taban wollte sich einen Job im Bau suchen, der Verdienst war laut Onkel Hassan dort unvorstellbar hoch. Damit könnte er die ganze Familie ernähren. Seine Eltern und seine Geschwister, sieben an der Zahl, vier Brüder, drei Schwestern. Bis auf

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