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Die Kanzlerkandidatin - Kriminalroman

Die Kanzlerkandidatin - Kriminalroman

Titel: Die Kanzlerkandidatin - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien>
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Fatima wohnten alle noch zu Hause, auf zwei Zimmer aufgeteilt.
    Seine jüngste Schwester Fatima lebte jetzt bei seinem wohlhabenden Großonkel Ali, der eine Tagereise von Rabak entfernt eine Baumwollplantage besaß. 10.000 sudanesische Pfund hatte er für sie bezahlt. Fatima hatte bitterlich geweint, als sie abgeholt wurde. Sie war erst dreizehn, ihr künftiger Mann, dem sie als Zweitfrau dienen sollte, bereits neunundsechzig. Eigentlich wären Fatimas ältere Schwestern vor ihr an der Reihe gewesen, aber der Großonkel hatte auf Fatima bestanden, sie war die Hübscheste und Tabans Lieblingsschwester. Ihre Mutter hatte sie zu trösten versucht. „Großonkel Ali ist alt und stinkt aus dem Mund, vielleicht stirbt er bald. Und dann bist du reich.“ Seine Schwester hatte davon nichts wissen wollen und nur noch lauter geweint. Taban beabsichtigte, sie nach Deutschland nachzuholen. Aber dazu musste er erst einmal viel Geld verdienen.
    Er spazierte neben Umar durch die staubigen Straßen. Ein schmächtiger Mann mit schiefen Zähnen sprach sie an. Umar winkte ab und flüsterte Taban ins Ohr: „Der Scheißkerl ist ein Betrüger, er soll die Passagiere mehr als einmal mitten in der Wüste ausgesetzt und ihrem Schicksal überlassen haben.“
    Auch beim zweiten Mann, der ihnen eine Mitfahrgelegenheit nach Bengasi anbot, war Umar abweisend. „Bloß nicht Bengasi, eine Scheißstadt seit dem Bürgerkrieg. Lass uns etwas essen“, schlug er stattdessen vor.
    Sie gingen zu einem Straßenstand und kauften sich Fladenbrot, dazu eine Portion Tabahij, die sie sich teilten. Das Fladenbrot schmeckte ranzig, Taban aß es trotzdem. Er hatte Hunger. Am späten Abend trafen sie auf einen Fahrer, der ihnen für 2000 sudanesische Pfund eine Mitfahrgelegenheit in einem Lastwagen nach Tripolis anbot. Dieses Mal willigte Umar ein. Taban war aufgeregt. Von Tripolis wollten sie den Seeweg nach Europa nehmen. Sein Ziel war in greifbare Nähe gerückt.

30
H ANNOVER , ZUR SELBEN Z EIT
    Bernd Wagner hatte einen mit Besprechungen und Terminen randvoll gefüllten Arbeitstag hinter sich, als er in seine Wohnung in der Südstadt kam. Auch wenn er den ganzen Tag abgelenkt gewesen war, ließ ihm sein Besuch in der Klinik und was er dort herausgefunden hatte keine Ruhe. Er musste etwas unternehmen, nur was? Zunächst einmal brauchte er eine Strategie, nur jetzt war er einfach zu müde, um seine Gedanken zu sortieren und in halbwegs geordnete Bahnen zu lenken. Als seine Türklingel ertönte, zuckte er zusammen. Es war bereits nach 21 Uhr und um diese Zeit bekam er nie Besuch. Vor allem da Monika ausgezogen war und sein bester Freund Max, mit dem er manches Mal die Altstadt unsicher gemacht hatte, in Andalusien lebte. Max hatte vor anderthalb Jahren in einer Nacht-und-Nebel-Aktion Hannover verlassen. Er lebte seither in Marbella, wo er ein deutsches Magazin herausgab und gelegentlich Reiseberichte für deutsche Zeitungen verfasste. Wagner vermisste ihn und war enttäuscht, dass sein Freund ihn kein einziges Mal zu einem Besuch in seine neue Wahlheimat eingeladen hatte. Auch seinen guten Freund Axel hatte es nach dem Studium ins Ausland verschlagen. Der Kontakt zu ihm beschränkte sich auf gelegentliche E-Mails, die in letzter Zeit immer seltener geworden waren. Ab und an besuchte ihn seine Hausnachbarin, aber meist nur um ihn zu Kaffee und selbst gebackenem Kuchen einzuladen und niemals um diese späte Tageszeit. Als er die Tür öffnete, war er überrascht. Vor ihm stand Pietro.
    „Guten Abend, Herr Wagner. Haben Sie einen Moment Zeit für mich?“
    Große, braune Augen schauten ihn erwartungsvoll an. Wagner konnte sich den Grund des unangekündigten Besuches nicht erklären. Er nickte und trat beiseite, um Pietro vorbeizulassen. Da das Wohnzimmer einem Saustall glich, führte er seinen Besucher in die Wohnküche und bedeutete ihm am Esstisch Platz zu nehmen.
    „Gemütlich haben Sie es hier“, sagte Pietro, nachdem er sich umgeschaut hatte. Das angebotene Glas Wein lehnte er dankend ab, Wasser genüge. Kaum hatte sich Wagner hingesetzt, kam der Deutsch-Italiener auch schon auf den Grund seines Besuches zu sprechen. Er beklagte sich wortreich darüber, dass Marion Klaßen ihm gestern Abend gekündigt hätte. Für ihn völlig überraschend.
    Wagner wunderte sich. „Gestern Abend war sie doch beim Parlamentarischen Abend des niedersächsischen Handwerks. Zumindest hat sie es heute in der Fraktionssitzung behauptet.“
    Pietro nickte. „Das war sie auch.

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