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Die Kanzlerkandidatin - Kriminalroman

Die Kanzlerkandidatin - Kriminalroman

Titel: Die Kanzlerkandidatin - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien>
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Jürgens Verdruss am Ostersamstag ihr Büro gehütet, alle anderen waren ausgeflogen. Die beiden Ostertage hatten sie im Harz verbracht. Jürgen fand immer mehr Gefallen an Wanderungen. Erholt fühlte sich Verena trotz der vielen frischen Luft nicht. Sie hatte schlecht geschlafen und ihre Magenprobleme machten ihr noch immer zu schaffen.
    Pieper meldete sich zu Wort. „Die Befragung der Unternehmer, die sich laut Presseverlautbarungen durch Baumgart geschädigt fühlten, ist weitgehend abgeschlossen. Einige haben Gerichtsverfahren gegen Baumgart angestrengt, die alle zu Baumgarts Gunsten ausgegangen sind. Die meisten Geschädigten sind inzwischen wieder in Brot und Arbeit oder haben neue Unternehmen gegründet. Ich halte es für unwahrscheinlich, dass sie Baumgart umgelegt haben. Und weshalb dann Wächter?“
    „Immerhin war er Aufsichtsratsmitglied und somit für die Geschäfte der Baumgart Holding mitverantwortlich“, warf Verena ein.
    „Hm, kann sein, hört sich für mich aber nicht überzeugend an“, brummelte Pieper. „Übrigens sind wir bei einem der Unternehmer auf der Liste bislang nicht weitergekommen. Er ist spurlos verschwunden. Ich rechne aber damit, dass wir in Kürze von den Kollegen aus dem Wirtschaftsdezernat Näheres erfahren.“
    Kleinsorge wusste zu vermelden, dass der frühere Vorsitzende der Kleingartenkolonie in Ricklingen als Täter nicht in Betracht kam. Die Folgen eines Schlaganfalls fesselten ihn ans Haus. Mitten in die Besprechung platzte ein Praktikant. Das synthetische Porträt des Fahrers, der Baumgart am Bahnhof in Empfang genommen hatte, war eingetroffen. Viel konnte man dem Phantombild nicht entnehmen. Der Mann mochte um die dreißig sein. Die schwarzen Haare waren kurz geschnitten, das Kinn kantig, der Mund schmal, die Augen hinter einer dunklen Brille verborgen. Schuster hatte eine Notiz beigefügt, dass die Person im Polizeipräsidium in Berlin nicht bekannt sei, auch nicht als einer von Milners Bodyguards. Die Villa und das Büro von Milner würden dennoch bis auf Weiteres observiert. Für den Fall der Fälle, dass doch noch ein Mann dort auftauche, der Ähnlichkeit mit der Phantomgestalt habe. Verena beauftragte Assistentin Schramm, das Phantombild mit den Datenbanken abzugleichen. Vielleicht hatten sie ausnahmsweise einmal Glück und stießen auf eine Übereinstimmung in einer der Verbunddateien des LKA.

42
H ANNOVER
F EBRUAR / M ÄRZ 2010
    Seit dem Nachmittag, an dem ich den Kampf mit Ansgar Müller aufgenommen hatte, lagen demütigende Wochen hinter mir: kränkende Abfuhren, verletzende Worte und sprachlose Gleichgültigkeit. Die kühle Ignoranz meiner sogenannten Geschäftsfreunde und das Desinteresse an meinem Schicksal waren noch schwerer zu ertragen als die Abfuhren. Ich lernte das Leben aus einer für mich bis dahin unbekannten Perspektive kennen. Bislang hatte ich Deutschland als Hort der Stabilität und Sicherheit betrachtet. Gelegentliche Rückschläge, ab und zu Ärger und Ehestress hatte ich schon auch kennengelernt, doch es überwogen die Sonnenseiten
.
    Aus dem Chefbüro meines Firmengebäudes hatte ich bis zu meinem Rausschmiss eine kleine überschaubare Welt befehligt: willfährige Mitarbeiter, zufriedene Kunden und aufmerksame Geschäftspartner. Politiker waren mir mit Respekt vor meiner unternehmerischen Leistung begegnet, in meiner Nachbarschaft und der Gesellschaft der oberen Zehntausend der Landeshauptstadt genoss ich Ansehen
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    Als Bittsteller, der Unterstützung einforderte, sah die Welt anders aus. Das fing schon bei Terminvereinbarungen an. Menschen, die früher keine Sekunde gezögert hatten, sich mit mir zu treffen, flüchteten sich in Ausreden. Andere ließen sich am Telefon verleugnen oder zeigten mir unverhohlen ihre Verachtung
.
    „Man ist in diesem Land nur jemand, wenn man etwas hat.“ Mit diesem Spruch hatte ich mich bisher nicht auseinandergesetzt. Ich hatte ja alles: einen Beruf, der mich erfüllte, eine eigene Firma, eine Familie und einen großen Bekanntenkreis. Jetzt lernte ich schmerzhaft kennen, wie bitterernst er war. Mein langjähriger Kunde Schlenkermann, der sich erst nach wiederholtem Anlauf am Telefon sprechen ließ, kanzelte mich ab. „Für Ihren Konkurs kann ich nichts. Wenn Ihre Firma Scheiße baut, müssen Sie auch dafür geradestehen.“
    „Die Armaturen waren in Ordnung, Sie hätten zumindest einen Teil des Geldes zahlen müssen“, hielt ich ihm entgegen. „Warum geben Sie nicht zu, dass Ansgar Müller Sie

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