Die Kanzlerkandidatin - Kriminalroman
mich übrig
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Da saß ich nun, um meine Firma beraubt, von meiner Familie und Bekannten verlassen und demnächst ohne Dach über dem Kopf. Ich war am Ende. Und es gab niemanden in dieser gottverdammten Welt, der mir helfen würde. Doch so beschissen ich mich auch fühlte, zumindest wusste ich endlich, wo ich stand. Wenn man sich erst einmal bewusst wird, dass man ganz auf sich allein gestellt ist, dass es niemanden gibt, der einem hilft, schärft das den Blick fürs Wesentliche
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Ich stellte auf eigene Faust Ermittlungen an, Zeit hatte ich jetzt ja zur Genüge, und brachte Interessantes zutage. Eine bemerkenswerte Seilschaft aus Politik, Justiz und Wirtschaft mit der schillernden Unternehmerpersönlichkeit Baumgart an der Spitze tat sich vor mir auf. Mit meinem Wissen im Rücken beschloss ich, den Großinvestor zur Rede zu stellen. Ich wollte Genugtuung und ich wollte Geld für den erlittenen Schaden. Eines Abends fing ich ihn vor der Einfahrt seines Hauses in Kirchrode ab. Er ließ mich nicht zu Wort kommen. Kaum erblickte er mich, bellte er seinen Fahrer an: „Sorgen Sie dafür, dass dieser Mann sofort mein Grundstück verlässt!“
Der Fahrer fackelte nicht lange, schubste mich vor sich her wie einen räudigen Hund. Für den Bruchteil einer Sekunde erwog ich, mich mit dem Mann zu prügeln. Der Gedanke verschwand so schnell, wie er gekommen war. Er war jünger und kräftiger, ich würde den Kürzeren ziehen. Eine Situation, die ich in den letzten Wochen ausreichend kennengelernt hatte und die ich zutiefst hasste. Baumgarts Stimme klang schneidend. „Lassen Sie sich nie wieder in meiner Nähe blicken, sonst zeige ich Sie an!“
In dieser Nacht fand ich keinen Schlaf, auch in der darauffolgenden nicht. Ich konnte nicht schlafen, keinen Bissen essen und keinen einzigen klaren Gedanken fassen. Alles in meinem Kopf drehte sich um den unbändigen Hass auf die drei Männer, die meine Existenz zerstört hatten: Müller, Wächter und Baumgart. Ich malte mir in Gedanken aus, wie ich sie tötete, einen nach dem anderen. Im Detail ging ich die Mordszenarien durch, wie ich sie folterte und sie auslachte, als sie um ihr Leben winselten. In der dritten Nacht schlief ich vierzehn Stunden am Stück. Als ich aufwachte, war der Hass genauso stark wie zuvor. Doch noch stärker war der Wille zur Rache
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Hass und Rache, beide Gefühlslagen zusammen setzten in mir ungeahnte Kräfte frei. Am Ende stand ein Plan, der Risiken barg, aber den drei Halunken das Leben kosten würde. Vorausgesetzt der Plan funktionierte. Und ich war wild entschlossen, alles zu tun, damit er funktionierte
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Am nächsten Tag fuhr ich nach Bern. Das Sparbuch, das meine Mutter mir hinterlassen hatte, hatte ich vor vier Jahren im Schließfach einer Schweizer Bank deponiert. Damals waren erste Wolken am Ehehimmel aufgezogen und hatten mich bewogen, das Geld vor Renate zu verstecken. Zusammen mit dem Geld aus der Zwangsversteigerung verfügte ich nun über 112.000 Euro. Nicht viel, aber genug, um meinen Plan umzusetzen. In den folgenden Tagen verkaufte ich meinen Polo. Den Firmenwagen, einen Mercedes, hatte sich Müller unter den Nagel gerissen. Mein Schmuck und einige Gegenstände, die ich aus meinem Haus gerettet hatte, fanden den Weg in die Auslage eines Auktionshauses in der Altstadt. Meine Anzüge brachte ich zur Caritas, bis auf den, den ich am Leib trug. Vorübergehend bezog ich ein Zimmer in einer bescheidenen Pension in der Marienstraße
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Die folgenden Wochen verbrachte ich damit, weitere Nachforschungen anzustellen. Was ich herausfand, übertraf meine schlimmsten Erwartungen. Die unheilige Allianz von Wächter, Baumgart und Müller hatte nicht nur mein Unternehmen in den Konkurs getrieben, um es sich anschließend unter den Nagel zu reißen. Es gab weitere Geschädigte. Dann stieß ich auf eine Spur, die alles bisher Dagewesene in den Schatten stellte. Baumgart verfügte über beste Kontakte zur italienischen und russischen Mafia. Als ich genug Informationen über die Hintermänner und ihre Geschäfte zusammenhatte, packte ich meinen Koffer. Viel war es nicht, was ich auf meine Reise mitnahm: zwei Hosen, zwei Hemden, zwei Schlafanzüge, einen Bademantel, Unterwäsche, einige Bücher und ein Foto meiner Tochter. Ich bestellte ein Flugticket nach Prag, das ich jedoch am nächsten Tag wieder stornierte. Niemand sollte meinen Weg nachvollziehen können. Mit meinem Koffer in der Hand und 112.000 Euro in der Brusttasche bestieg ich am zehnten März den
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