Die Kanzlerkandidatin - Kriminalroman
Pförtner mich nicht aufhalten konnte. Der kam aus seiner Loge gestürzt, rannte hinter mir her und hielt mich am Arm fest
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„Wenn Sie nicht sofort den Landtag verlassen, verständige ich den Sicherheitsdienst“, erzürnte er sich
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Einige in Gespräche vertiefte Abgeordnete auf dem Weg in die Sitzungsräume blieben stehen und warfen mir neugierige Blicke zu. Aufgebrachte Bürger hatten in den heiligen Hallen des Landtages nichts zu suchen. Der Sicherheitsdienst sorgte dafür, dass die Politiker nicht mit wütenden Bürgern behelligt wurden. Mit hängenden Schultern verließ ich den Landtag. Noch nie hatte ich mich so mies gefühlt
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Mein nächster Weg führte mich zu Rechtsanwalt Hackmann, den bekanntesten Anwalt für Wirtschaftsstrafsachen, den die Landeshauptstadt aufzubieten hatte. Deutschland war ein Rechtsstaat, ich würde Müller verklagen. Der Rechtsanwalt machte mir wenig Hoffnung. Müller sei ein angesehener Konkursverwalter mit besten Beziehungen zur Justiz und Politik. „Ein Konkursverwalter hat in diesem Land mehr Rechte als jeder andere“, fügte er hinzu. „Am besten Sie finden sich damit ab, dass Sie Ihre Firma verloren haben, und fangen noch mal von vorne an. Sie sind ein erfahrener Unternehmer, Sie können es schaffen.“
Am folgenden Morgen suchte ich den mit meinem Konkurs befassten Konkursrichter in seinem Büro auf. Es war verwaist. Eine Justizangestellte klärte mich auf. „Der Herr Richter befindet sich auf einer Kreuzfahrt und wird erst in drei Wochen zurückerwartet.“
Ich rief eine Bekannte an, die anspruchsvolle Kreuzfahrten organisierte. Dieses Mal hatte ich Glück, sie ließ sich nicht verleugnen, sondern hörte mir aufmerksam zu. Nach einigem Zureden erklärte sie sich bereit, nachzuschauen, ob sich der Name des Richters in ihrer Kundendatei befand. Eine halbe Stunde später rief sie zurück. Der Herr Richter hatte die Reise nicht selbst gebucht. Die Baumgart Holding hatte vier Plätze auf dem Luxusliner gebucht, darunter auch den des Herrn Konkursrichters. Mit dem Versprechen, sie als Quelle für die vertrauliche Information auf keinen Fall zu nennen, beendete ich das Gespräch
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Mein nächster Weg führte mich ins Justizministerium. Es würde die Aufsichtsbehörde sicher interessieren, dass einer ihrer Richter korrupt war. Doch auch dort wurde ich nicht vorgelassen. „Bringen Sie Ihr Anliegen schriftlich vor, dann wird es geprüft und Sie erhalten Nachricht“, ließ mich die Dame am Empfang wissen. Mir blieb nichts anderes übrig, als umzukehren. Zu Hause angekommen setzte ich mich sofort an den Schreibtisch und verfasste einen ausführlichen Bericht über die Geschehnisse. Ich ließ nichts aus, weder die Kontaktvermittlung über Wächter noch das unseriöse Agieren Müllers und die von der Baumgart Holding bezahlte Kreuzfahrt. Den Bericht gab ich am nächsten Tag persönlich bei der schnippischen Dame am Empfang des Justizministeriums ab
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Danach ging alles ganz schnell. Nur zwei Tage später erhielt ich ein Einschreiben des Landeskriminalamts, eine Einbestellung von der Abteilung für Wirtschaftskriminalität. Müller hatte mich wegen vorsätzlicher Konkursverschleppung angezeigt, die Staatsanwaltschaft ein Verfahren wegen Betrugs gegen mich eröffnet. Die zuständige Oberkommissarin, die mich zwei Tage später verhörte, war freundlich. Sie bot mir Kaffee und Gebäck an und ich glaubte sogar Mitgefühl in ihren Augen zu entdecken. „Es tut mir leid, Herr Heidkamp, aber die Vorwürfe, die der Konkursverwalter gegen Sie erhebt, wiegen schwer. Betrügerische Konkursverschleppung ist ein Straftatbestand. Sie müssen mit einer Anklage vor der Wirtschaftsstrafkammer rechnen.“
Dann befragte sie mich eingehend. „Wann haben Sie zum ersten Mal Zahlungsschwierigkeiten gehabt? Was haben Sie dagegen getan? Wann genau wurde Ihnen bewusst, dass Ihre Firma zahlungsunfähig ist?“
Ich beantwortete alle ihre Fragen, so gut ich konnte. Auch wenn meine Version eine ganz andere war. Die Polizeibeamtin tippte meine Aussagen in ihren Computer. Was sie wirklich dachte, blieb mir verborgen
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Einige Tage später flatterte ein Schreiben des Landgerichts Hildesheim ins Haus. Ich wurde zur Verhandlung vor der Kammer für Wirtschaftsstrafsachen geladen. Als Beschuldigter. Am gleichen Tag erhielt ich die Aufforderung meiner Bank, mein Wohnhaus binnen eines Monats zu räumen. Die Bank hatte einen Käufer gefunden. Nach Abzug meiner Bankschulden blieben vom Kaufpreis noch 16.000 Euro für
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