Die Kanzlerkandidatin - Kriminalroman
nicht.“
„Herrn Baumgart immerhin so gut, dass Sie ihm Drohmails geschickt haben. An seinen Firmencomputer. Er hat sie deshalb angezeigt.“
Kraft rieb sich die Stirn, fischte ein schmuddeliges Taschentuch aus seiner Hosentasche und wischte sich damit übers Gesicht. „Das liegt Wochen zurück. Ist alles längst geklärt.“
„So würde ich das nicht sehen. Sie sind haarscharf an einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren vorbeigeschrammt, Herr Kraft. Und in der Sache selbst haben Sie nichts erreicht. Die Bebauung des Klagesmarktes soll in Kürze beginnen. Der Grund Ihrer Wut ist also keineswegs erledigt.“
„Quatsch“, fuhr er ihr über den Mund. „Gar nichts ist entschieden. Das Genehmigungsverfahren läuft noch. Unser Widerspruch wird von der Stadt geprüft. Und wie es aussieht, gibt es im Rat keine Mehrheit für das Projekt. Sind Sie mal mit offenen Augen durch die Stadt gefahren und haben Sie sich die vielen überflüssigen Bürotürme angesehen? Wir haben mehr als fünfhundert leer stehende Gewerbeimmobilien im Stadtgebiet. Baumgart hat mit seinen blödsinnigen Bauprojekten schon genug Unheil angerichtet.“
„Er ist tot, sein Unternehmen nicht. Die Baumgart Holding wird sich aus dem aktiven Geschäftsleben nicht zurückziehen“, stellte Verena fest.
„Das verlangen wir auch gar nicht. Die können machen, was sie wollen, nur nicht auf dem Klagesmarkt. Der ist seit Ewigkeiten ein Wochenmarkt und historischer Platz der jährlichen Maikundgebungen. Wir stehen mit dieser Auffassung nicht allein da. Die Gewerkschaften sind auf unserer Seite.“
„Schön für Sie. Kommen wir auf Baumgart zurück. Fest steht, dass Sie ihn bedroht haben und er jetzt tot ist.“
Ihr Gegenüber hob hektisch seine Arme hoch. „Ich weiß gar nicht, was Sie von mir wollen. In der Zeitung stand, dass Baumgart in Brandenburg umgebracht wurde. Dreihundert Kilometer von hier. Ich war noch nie in dieser Gegend und ich will dort auch nicht hin – zu viele Nazis dort! Und warum sollte ich ihn ausgerechnet dort umbringen? Das ist doch hanebüchener Unfug! Vermutlich hat der Mord mit seinen illegalen Geschäften zu tun. Es wird sich halt jemand gerächt haben. Männer wie Baumgart tragen die Verantwortung dafür, dass es mit unserem Land abwärtsgeht. Dumpinglöhne, Leiharbeit, Hartz IV. Den ganzen Scheiß verdanken wir nur Kapitalisten wie ihm!“
„Deshalb bin ich nicht hier“, kehrte Verena zum Grund ihres Besuchs zurück. „Aber ich stelle mir die berechtigte Frage, ob Ihr Ärger über sein Vorhaben ein Mordmotiv sein könnte.“
„Sind Sie bescheuert?“, blaffte Kraft sie an. Sein Gesicht war jetzt wutverzerrt. „Ich bin Aktivist und kein Mörder.“
„Beruhigen Sie sich, Herr Kraft.“ Verenas Stimme klang sanft. Der Mann hatte sich nicht im Griff. „Sie haben doch sicherlich ein Alibi für die Tatzeiten?“
Nachdem Verena ihm die infrage kommenden Zeiten genannt hatte, war auffällig, wie gut Kraft sich erinnern konnte. Ohne zu zögern listete er seine Termine und Namen von Personen auf, mit denen er zusammen war. Falls er die Wahrheit sagte, was noch zu prüfen war, wäre er entlastet. „Es wäre gut, wenn Sie sich in den nächsten Tagen zu unserer Verfügung halten, falls wir noch einmal mit Ihnen Kontakt aufnehmen müssen“, sagte Verena, bevor sie sich verabschiedete.
Als Kraft sie zur Tür brachte, gab er sich keine Mühe, seinen Unmut zu verbergen. „Sie vergeuden Ihre Zeit. Kümmern Sie sich lieber um die Bewegung ‚Deutsches Hannover‘. Alles Geisteskranke, Nazifaschisten und Rassisten!“
„Mag sein, aber im Gegensatz zu Ihnen haben sie Baumgart nicht bedroht. Denken Sie daran, uns zu informieren, falls Sie Hannover in den nächsten Tagen verlassen möchten.“
„Typisch Polizei, hat nichts Besseres im Sinn, als harmlose Bürger zu kujonieren“, meckerte er, bevor er die Tür hinter Verena zuknallte.
Ein ungehobelter Kerl, fand Verena. Auch wenn sie nicht davon überzeugt war, dass er der Doppelmörder war. Sein Alibi würde sie trotzdem überprüfen lassen. Vielleicht täuschte sie sich in ihm.
Sie kam gerade noch rechtzeitig zur Lagebesprechung der Soko zurück. Hetzel spielte sich schon wieder in den Vordergrund. Dem Gesichtsausdruck der anderen Beamten war abzulesen, wie genervt sie davon waren. Nur Assistentin Schramm bedachte ihn mit schmachtenden Blicken. In der Sache selbst gab es wenig Bewegung. Die Ostertage hatten die Ermittlungen zum Stocken gebracht. Nur Verena hatte zu
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