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Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)

Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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Verantwortung als selbst ernannter Regent von Florenz, als Tyrann von eigenen Gnaden, zu stellen.
    Giulio hörte Fra Mariano nicht bis zu Ende an. Noch während des Abendessens floh er weinend vor Wut aus dem Speisesaal. Er hatte voller Hoffnung das geheime Treffen zwischen Lorenzo und Fra Girolamo am Epiphanias-Tag arrangiert, das der Dominikaner nun als Versuch einer Einschüchterung und als Gewaltherrschaft auslegte.
    Giovanni saß wie erstarrt am Tisch und schien nicht mehr zu hören, was der Augustiner von seinem Freund Girolamo berichtete. Er schüttelte den Kopf und barg sein Gesicht in den Händen. So saß er minutenlang, reglos und bebend vor Zorn und Machtlosigkeit, während Fra Mariano die Tiraden des Priors von San Marco aus dem Gedächtnis rezitierte: Cosimo de’ Medici habe Unrecht gehabt, als er sagte, dass Florenz nicht mit einem Pater noster regiert werden könnte. Er, Fra Girolamo Savonarola, sei überzeugt, dass nur ein Pater – und er ließ keinen Zweifel daran, wen er meinte – und ein Gebet die Republik noch retten könnten. Und der Tod des Tyrannen!
    »Ich werde mir das nicht länger anhören!«, begehrte Piero auf und erhob sich von der Tafel. »Es hätte nie so weit kommen dürfen.«
    »Was hätte ich dagegen tun sollen, Piero?«, konterte Lorenzo. »Setz dich und erkläre es mir! Das Opium hat offenbar meinen Verstand vernebelt – also sprich langsam, damit ich dir folgen kann, mein Sohn! Hätte ich Fra Girolamo verbannen sollen? Oder hätte ich ihn hinrichten lassen sollen? Um mit dieser unsinnigen Tat schließlich der Tyrann zu werden, für den er mich hält? Niemals! Was also hätte ich tun können?«
    Piero schwieg und starrte seinen Vater an. In seiner Machtlosigkeit hatte er seine Hände zu Fäusten geballt.
    »Genau das habe ich auch getan, Piero«, sagte Lorenzo verbittert. »Ich habe zornig geschwiegen.«

    Wie Hephaistos, der griechische Gott des Feuers und der Schmiedekunst, kniete ich in dieser Nacht im flackernden Feuerschein vor dem Athanor und stocherte in der Glut, um sie weiter anzuheizen. Dankbar hüllte ich mich in den purpurroten Talar aus Asbes-tos, den Giovanni mir geschenkt hatte. Ohne diesen Schutz wären meine Kleidung und meine Haare längst in Flammen aufgegangen. Aber auch mit der Kapuze, den Handschuhen und den Augengläsern aus getöntem Glas war die Hitze im Laboratorium kaum zu ertragen.
    Das Silber war in der feuerfesten Form bereits glutflüssig geworden, und das Gold schmolz wie weiche Butter in einer Bratpfanne. Ich gebe zu, diese Solutio war nicht gerade eine Transmutation aus einem Lehrbuch der Alchemie: Ich hatte zusammen mit Michelangelo und Giuliano da Sangallo, Lorenzos Architekt, vor wenigen Tagen eine Geschützgießerei außerhalb von Florenz besucht, in der Bronzestatuen und Kanonen gegossen wurden.
    Die Solutio, die die Alchemisten Arnoldus de Villanova und Nicolas Flamel in ihren Werken beschrieben, ist die Auflösung der Prinzipien von Sol und Luna durch Mercurius. Ich hatte mir jedoch vorgenommen, Silber, Gold und Kupfer – Körper, Geist und Seele – zu verflüssigen, um sie zum Metall Elektrum zu verschmelzen und dann zu verfestigen. Das war kein alchemistischer Prozess, sondern ein Akt der Metallurgie. Mir war es gleichgültig, wohin der Wegweiser am Wegesrand wies, solange ich mein Ziel erreichen würde: die Erschaffung des al-Iksir.
    Das Gold war jetzt geschmolzen. Es ruhte still in seinem Tiegel. Das grün patinierte Kupfer in der dritten feuerfesten Form, die ich mir aus Giuliano da Sangallos Bronzegießerei bringen ließ, hatte einen höheren Schmelzpunkt als das Gold. Es glühte wie ein Stück Kohle, bevor es Funken stiebend in zwei Teile zerbrach und sich wie Eis in der warmen Frühlingssonne zu verflüssigen begann. Jetzt war es so weit!
    Vorsichtig vermengte ich die drei glutflüssigen Metalle in einem feuerfesten Tiegel und verrührte sie langsam mit einem eisernen Stab, dessen Schmelzpunkt viel höher lag. Ich spürte die Hitze des Stabes durch den wattierten Handschuh hindurch, doch ich ertrug den Schmerz. Er war nichts im Vergleich zu Lorenzos Leiden …
    Die drei Metalle Gold, Silber und Kupfer hatten sich verbunden. Das Elektrum war erschaffen – noch glühend wie die Welt an ihrem Anfang, als Gott Sein Opus begann, doch es war vollendet.
    Während ich nach dem Gefäß mit Aqua sapientiae tastete, ließ ich das glühende Metall keinen Augenblick aus den Augen. Ich hatte den Morgentau, eine ganze Phiole voll, während

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