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Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)

Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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Schiefe Turm von Pisa: »So viele, dass ich daran zweifele, ob er überhaupt noch schläft …« Sein jüngerer Bruder Juan, der Herzog von Gandía, sollte in wenigen Wochen Maria Enriquez, eine Cousine von König Fernando in Barcelona heiraten. »… und auch Lucrezia wird in ein paar Wochen heiraten: deinen Giovanni Sforza!«
    Meinen Giovanni Sforza? Seine Formulierung klang so, als glaubte er, der Conte von Pesaro sei mein Geliebter gewesen. Hätte ich diesen furchtbaren Irrtum doch nur rechtzeitig aufgeklärt! Aber nicht Cesares Unterstellung einer Affäre mit Giovanni Sforza ärgerte mich, sondern das, was er nicht schrieb, machte mich zornig. Und weil ich seinen Brief aus Rom aus Enttäuschung, Wut und verletztem Stolz über sein Schweigen nicht beantwortete, kam alles, wie es kommen musste …
    Mit keinem Wort hatte Cesare die Aufhebung von Giovannis Exkommunikation durch Papst Alexander erwähnt! Obwohl er mir versprochen hatte, sich für Giovanni beim Papst einzusetzen, bezweifelte ich in diesem Augenblick, dass Cesare mit seinem Vater gesprochen hatte – oder jemals sprechen würde. Denn wenn er Giovannis Seele rettete, würde er mich an ihn verlieren!
    Zornig zerriss ich Cesares Brief und warf ihn ins Feuer.

    Ich litt. Aber vielleicht litt Giovanni noch mehr als ich unter unserer platonischen Liebe – so nannte Angelo, der bei Giovanni in der Villa in Fiesole wohnte, unsere Beziehung.
    Wir sahen uns wieder fast jeden Tag, experimentierten gemeinsam in seinem Laboratorium, lasen einander unsere Notizen vor, disputierten über Giovannis neunhundert Thesen und schwiegen gemeinsam. Wir liebten uns zu sehr, um uns aus dem Weg zu gehen, und so setzten wir mit einem heroischen Lächeln unsere Via dolorosa fort. Wir erforschten einander, wenn wir uns durch das reflektierende Glas des Alambic hindurch ansahen. Ich wollte seine geliebte Stimme hören, wenn wir redeten, diskutierten, stritten, wollte in seine tiefsten Gedanken eindringen, wenn wir schwiegen.
    Ich litt. Denn auch Leiden ist eine Form der Lust.

    Ende Juli 1493 traf ein weiteres Schreiben von Cesare aus Rom ein – mit einem Eilboten. Er schien verletzt, weil ich seinen letzten Brief monatelang nicht beantwortet hatte. Trotz des unausgesprochenen »Warum?« lud er mich ein, für einige Wochen nach Rom zu kommen. Er wollte wenige Tage später am Palio in Siena teilnehmen. Ob ich ihn nicht im Palazzo Chigi treffen könnte? Er sehnte sich nach mir und wollte mich wiedersehen, ganz gleich wie meine Antwort lautete …
    Ich wollte den Brief schon wie den vorherigen zerreißen, als ich das Postscriptum unter der Unterschrift las: »Übrigens, das Inquisitionsverfahren gegen Giovanni Pico wurde vor wenigen Tagen durch meinen Vater niedergeschlagen. Das päpstliche Breve, das offiziell die Aufhebung der Exkommunikation bestätigt und ihm den päpstlichen Segen erteilt, wurde gestern gesiegelt. Ich dachte, du wolltest ihm das Breve selbst überreichen und sende es dir deshalb mit diesem Brief. Ich hoffe, du bist jetzt glücklich. Ich bin es nicht. Cesare.«

    Die Splitter zerschlagener Hoffnungen sind scharfkantig, schmerzhaft. Sie stecken im Herzen, verletzen den Stolz, rühren zu Tränen und bringen den Menschen dazu, Dinge zu tun, die er nie tun würde, wenn er bei Verstand wäre.
    Ich hatte gehofft, dass Giovanni sich mir freudig und dankbar zuwenden würde, wenn ich ihm von der Rettung seiner Seele vor der Verdammnis berichtete. Ich hatte ihm das päpstliche Breve gezeigt – und Cesares Brief. Und Giovanni hatte erkannt, dass er eben erst aus dem Fegefeuer entkommen war, um nun ins Inferno der Eifersucht zu fallen – er wusste, wie sehr Cesare mich liebte.
    Ich hatte gehofft, ich hatte gelitten: vergeblich.
    Giovanni, der seine Seele eben erst von Satan zurückerhalten hatte, verschenkte sie ohne zu zögern an Gott. Er versprach Savonarola, endgültig ins Kloster von San Marco einzutreten.
    Ich hatte ihn verloren. Dieses Mal für immer.

    Roma Aeterna! Rom enthüllte sich mir schöner und strahlender als je zuvor. Die Hauptstadt der Welt hatte sich verändert in dem einen Jahr, seit ich zuletzt hier gewesen war. Was hatte der lächelnde Papst alles erreicht in diesem einen Jahr seines Pontifikates? Auf den ersten Blick nicht viel. Die alte Basilika San Pietro drohte immer noch einzustürzen, und die losen Pflastersteine der Straßen waren nach wie vor unter einer Schicht Müll begraben. Aber die Menschen hatte er durch sein fröhliches Lachen

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