Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)
zum Essen kommen wollte.«
Jofré war sehr blass, sagte aber kein Wort. Und auch Giovanni Sforza schwieg mit verkniffenen Lippen.
»Kuhhandel?«, fragte Juan gedehnt. »Wen von uns hast du dieses Mal verkauft, Vater?«
»Ferrante und ich sind uns einig geworden, und auch Fernando hat mit einem wohlwollenden Lächeln sein Einverständnis gegeben. Jofré wird in wenigen Wochen Sancha heiraten, die Tochter Herzog Alfonsos von Kalabrien, des Thronerben von Neapel …«
König Ferrante hatte einer Verbindung der Borgia mit den verhassten Sforza von Mailand wohl ebenso wenig tatenlos zusehen wollen wie Kardinal Giuliano della Rovere, und hatte selbst diese Ehe vorgeschlagen, erklärte uns der Papst.
»Vater, du selbst hast gesagt: ›Rom ist eine freie Stadt – jeder kann tun und lassen, was er will.‹ Ich will nicht …«
Papst Alexander ignorierte den Protest seines jüngsten Sohnes und fuhr gelassen fort: »Lucrezias Ehebündnis mit den Sforza in Mailand ist geschlossen. Ludovico und Ascanio gehören nun de facto zu unserer Familie. Du wirst in die Dynastie der Aragón einheiraten. König Fernando braucht nicht nur meine päpstliche Unterstützung seiner Familie in Neapel gegen die französischen Erbansprüche, sondern auch meine wohlwollende Entscheidung zugunsten Spaniens Oberhoheit auf den von Don Cristóbal Colón entdeckten Indischen Inseln. Für diesen einen Federstrich auf der Weltkarte ist er bereit, dir Sancha zur Gemahlin zu geben – und außerdem das Herzogtum Squillace sowie den Titel des Bannerträgers des Königreichs Neapel …«
»Ich will nicht heiraten!«, protestierte der zwölfjährige Jofré. »Ich will meine Freiheit genießen wie Cesare und Juan. Sollte ich nicht Cesares abgelegte Soutane als Bischof von Pamplona auftragen?«, begehrte Jofré auf. »Ich bin kein Spielstein, den du nach Belieben …«
»Die Macht der Familie Borgia ist wie ein marmorner Triumphbogen«, unterbrach ihn sein Vater. »Aber der Bogen wird im Gegenwind der Geschichte und unter Savonarolas Posaunen einstürzen wie die Mauern von Jericho, wenn die Steine sich nicht gegenseitig stützen.«
»Amen!«, murmelte Cesare in seinen Weinbecher.
Sein Vater sah ihn irritiert an, dann winkte er der Dienerschaft, endlich das Mahl zu servieren.
Giovanni Sforza hielt den Blick gesenkt, während das Abendessen aufgetragen wurde. Es gab Fischsuppe nach einem Rezept aus Valencia, das Lieblingsessen des Papstes.
Während Seine Heiligkeit sich genüsslich über seinen Teller hermachte, verdrehte Cesare am Ende der Tafel die Augen und rührte lustlos mit seinem Löffel in der Suppe. In Erwartung eines weniger spartanischen zweiten Ganges aß ich nur wenig.
Doch an diesem Abend blieb ich hungrig. Ich war überrascht, wie anspruchslos der Papst zwischen Pinturicchios Farbeimern lebte: Er aß nur ein Mal am Tag, und selbst während der großen Bankette im Vatikan habe ich ihn selten mehr als einen einzigen Teller leeren sehen – Fisch liebte er offenbar besonders.
Cesares Blick schien zu sagen: »Ich habe dich gewarnt! Nun löffele deine Suppe aus!« Mit einer unauffälligen Geste versprach er mir ein mehrgängiges Abendessen in seiner Wohnung, später! Und danach würden wir …
Ich sah auf: Giovanni Sforza starrte mich an, die Lippen geöffnet, als wollte er etwas sagen, doch dann schwieg er. Es war nicht einmal zwei Jahre her, dass er bei Lorenzo um meine Hand angehalten hatte. Und nun saßen wir gemeinsam beim Abendessen am Tisch der Borgia, er als Lucrezias Gemahl, ich als Cesares Geliebte. Lucrezia entging der Blickwechsel zwischen uns nicht.
Ihr Bruder Juan gehörte zu der Art von Männern, die nicht nur alles bemerken, sondern auch über alles eine Bemerkung machen müssen. Ich weiß nicht mehr, was er in den Raum warf, aber es war keine von den geistreichen Anmerkungen, die man in seine Sammlung von Aphorismen aufnehmen sollte. Diese Bemerkung über Giovanni Sforza und mich – gehässig oder einfach gedankenlos dahingesagt – wurde zum Fehdehandschuh zwischen Cesare und Juan.
Während sich seine Söhne Beleidigungen über den Tisch zuwarfen, schlürfte Alexander schweigend seine Suppe. Er war wohl der Meinung, dass das Gewitter irgendwann enden würde. Doch schließlich verlor er die Geduld und gebot Cesare und Juan mit donnernder, alles übertönender Stimme zu schweigen. Dann wandte Alexander seine Aufmerksamkeit mir zu und nahm mir damit die Gelegenheit, endlich das gefährliche Missverständnis aufzuklären,
Weitere Kostenlose Bücher