Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)
verändert: Sie lächelten, sangen und schienen lebenslustig … ja: glücklich zu sein.
Konnte Papst Alexander auch mich glücklich machen? Sein Sohn bemühte sich nach Kräften, Nacht für Nacht.
Ich war nach Siena geflohen – anders kann ich meine überstürzte Abreise aus Florenz nicht bezeichnen. Ich hatte Cesare im Palazzo Chigi getroffen. Sein Ansinnen, ihn nach dem Palio nach Rom zu begleiten – »Wenigstens für ein paar Tage, Caterina!« –, schien mir in seiner Gegenwart nicht mehr so absurd. Wir hatten zwei aufregende Tage und drei leidenschaftliche Nächte in Siena verbracht, und ich genoss Cesares Aufmerksamkeit nach einem endlosen Jahr ohne Zärtlichkeit und ohne Liebe wie ein heißes, duftendes Bad nach einem langen Winterspaziergang. Dann waren wir über Montepulciano und Civita Castellana nach Rom geritten.
Überwältigt von der Großartigkeit der Sixtina blieb ich in der Kirche stehen. Cesare schob mich sanft vorwärts, durch die marmornen Chorschranken hindurch in den Altarraum.
Überrascht stellte ich fest, dass Papst Alexander eine Missa Solemnis zelebrierte. Was hatte ich erwartet: eine Satansmesse? Blut statt Wein? Schwefeldunst statt Weihrauchduft? Pentagramm statt Kreuz? Unterhalb der herrlichen Fresken – der Versuchung Christi und der Prüfungen Mose, die Sandro Botticelli vor zehn Jahren in der Sixtina gemalt hatte – saßen einige Kardinäle und Bischöfe und intonierten feierlich das Te Deum.
Mein Bruder Gianni sah verdutzt – erschrocken? – zu mir herüber, als ich mit Cesare während des Pontifikalamtes die Sixtina betrat. Seine Lippen formten eine unhörbare Frage: »Was tust du denn hier?« Kardinal Giuliano della Rovere, der neben ihm und Kardinal Gian Battista Orsini saß, folgte Giannis Blick, kniff die Augen zusammen, als glaubte er eine Vision zu sehen, dann zuckten seine Lippen amüsiert … verächtlich. Noch vor einem Jahr hatte ich mich mit ihm gegen Rodrigo Borgia verbündet, und nun schien er anzunehmen, dass ich rechtzeitig vor der Entscheidungsschlacht die Seiten gewechselt hatte.
Vor dem Altar stand der Papst, der Stellvertreter Christi, eher ein Nachfolger des Kaisers Konstantin als des Fischersohnes Petrus, vom Volk liebevoll Alexander der Große genannt, und schmetterte das Te Deum mit so lauter Stimme, dass Gott im Himmel ihn unmöglich überhören konnte.
Was für ein Mensch!, dachte ich. Geheimnisvoll. Lebendig. Seine majestätische Größe, seine kraftvollen Bewegungen, seine selbstbewusste Sinnlichkeit – er war zweiundsechzig Jahre jung – und sein bezauberndes Lächeln faszinierten mich. Ich starrte ihn an, begierig, ihn kennen zu lernen.
Cesare ergriff meine Hand. Bemerkte er das Zittern?
Seine Heiligkeit beendete die Messe mit einem » Ite, missa est! Geht, ihr seid entlassen!«, und die Kardinäle erhoben sich schweigend und strebten in Richtung Portal. Gianni wollte zu mir herüberkommen, um mich zu begrüßen, doch Papst Alexander war schneller. Er stürmte die drei Altarstufen herab, riss sich ungeduldig die Mitra vom Kopf und fegte mit wehender Soutane und Brokatmantel zu Cesare und mir herüber. Ein über den Verstoß gegen den feierlichen Ritus bestürzter Monsignore rannte hinter ihm her: Johannes Burkhard, der päpstliche Zeremonienmeister.
Papst Alexander schloss seinen Sohn in die Arme und küsste ihn auf beide Wangen: »Laudetur Jésus Christus! Estoy tán contento que estás de vuelta en Roma, César. Te estuve esperando.« Dann folgte eine Kaskade aus spanischen und italienischen Worten. Ich verstand nicht alles, obwohl Cesare mir ein wenig Spanisch beigebracht hatte – nur so viel: Der Vater hatte den Sohn ungeduldig erwartet.
»Und du bist Doña Catalina«, wandte sich der Heilige Vater auf Spanisch an mich. Ungeniert küsste er auch mich auf beide Wangen, ohne mir die Hand mit dem Fischerring zum Kuss zu reichen. »Aikateriné, die Reine, die Schöne. Santa Catalina, die Heilige.«
»Santa Catalina?«, fragte ich verwirrt. Catalina war die spanische Abwandlung meines Namens Caterina.
»So nennt César dich. Mein sonst so selbstbeherrschter Sohn gerät ins Schwärmen, wenn er von dir spricht. Du bist für ihn die Inkarnation der vier platonischen Tugenden: Weisheit, Tapferkeit, Besonnenheit, Gerechtigkeit und die Menschwerdung der drei Tugenden Thomas von Aquinos: Glaube, Hoffnung und Liebe, Inspiration jedes vernunftbegnadeten, jedes fantasiebegabten, jedes sinnlichen Mannes. Er hat Recht!«
»¡Muchas gracias,
Weitere Kostenlose Bücher