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Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)

Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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außer Sicht. Die Besatzungen wurden unruhig, denn niemand wusste, wie lange die Reise dauern und wo sie enden würde. Der Admiral hat mir sein Logbuch gezeigt, sodass ich nachvollziehen kann, wie er und seine Männer sich gefühlt haben, als die Schiffe bei abflauendem Wind die endlosen Algenfelder der Sargassosee durchquerten und am 19. September eine Flaute die Schiffe festhielt. Mit den Mannschaften, aber auch mit den beiden Kapitänen, hatte Don Cristóbal ernste Schwierigkeiten, obwohl viele Zeichen – Strömung, Algen, Treibholz – auf nahes Land hinwiesen. Das Wort Meuterei schwebte in der Luft wie das Geschrei der Möwen, die vom westlichen Horizont her auftauchten. Aber Don Cristóbal blieb fest in seinem Glauben an Toscanellis Theorie.
    Die Spannung an Bord der Schiffe muss in jenen Tagen auf See unerträglich gewesen sein. Die Überfahrt dauerte nun schon vierzig Tage, und jeden Tag wurde Land gesichtet – Wunschvorstellungen, die mit Wolken, Treibholz und Luftspiegelungen verwechselt wurden. Die Enttäuschung hatte mit jedem neuen Ruf »Land in Sicht!« zugenommen. Dann, am 12. Oktober 1492, wurde zwei Stunden nach Mitternacht auf der voraussegelnden Pinta der vereinbarte Kanonenschuss abgefeuert: Land voraus!
    Nach Sonnenaufgang begab sich Don Cristóbal Colón, nunmehr Vizekönig von Indien, an den Strand, um die entdeckte Insel, die die Inder Guanahani nannten und er selbst San Salvador taufte, für die spanische Krone – und für sich selbst – in Besitz zu nehmen.
    Aber die Terra Incognita war ganz anders, als Marco Polo uns berichtet hatte. Don Cristóbal fand keine Chinesen und Mongolen, sondern nackte Inder, die nichts von einem Khan in der fernen Stadt Khanbalik wussten. Kein Gold, keine Seide – dafür Glück und Zufriedenheit. Die nackten Wilden schliefen in Hängematten, rauchten friedlich Tabacco, aßen exotische Früchte und gegrillte Leguane. Hat Don Cristóbal das Paradies wiederentdeckt?
    Er stach erneut in See. Wenn dies nicht das Festland von China oder Indien war, dann musste er sich nur wenige Seemeilen östlich von Japan befinden! Sein wichtigstes Ziel bestand nicht mehr darin, Asien auf der Westroute zu erreichen, sondern die von Marco Polo beschriebenen Schätze zu finden, die seinem Rang als Vizekönig die nötige Bedeutung verleihen würden.
    Am 28. Oktober erreichte er mit seinen Schiffen eine Insel, die die Wilden Cuba nannten. Von hier aus dauere die Reise zum Festland, wo es Gold, Perlen und Gewürze im Überfluss gebe, nur noch zehn Tagesreisen, versicherten die Eingeborenen. Don Cristóbal segelte weiter und fand eine Insel, die er La Isla Hispañola nannte. Hier lief die Santa Maria in der Nacht vom 24. auf den 25. Dezember auf eine Sandbank und musste nach langem Ringen mit dem Meer aufgegeben werden. Alle Versuche, das Flaggschiff wieder flott zu machen, schlugen fehl. Panik brach aus so fern von der Heimat, aber Don Cristóbal gab nicht auf. Aus den Trümmern der Santa Maria ließ er auf der Insel eine Siedlung errichten. Zu Beginn des neuen Jahres konnten die beiden verbleibenden Schiffe in die Heimat segeln. Stürme trieben sie so weit nach Norden, dass sie bei Lissabon auf Land stießen. Am 15. März 1493 erreichte Don Cristóbal schließlich Palos und einen Monat später Barcelona, wo er von König Fernando in einem feierlichen Triumphzug empfangen wurde.
    In Anwesenheit des gesamten Hofstaates wurde ihm die Ehre zuteil, von seinen Abenteuern zu berichten. Und weißt du, wie er seinen Bericht beendete? Er will wieder in See stechen! O Caterina, bete für mich! Ich würde ihn so gern begleiten …«
    Ich ließ den Brief sinken. Beten? Ich soll Gott um irgendetwas bitten?, dachte ich zynisch: Das wäre der sicherste Weg zu verhindern, dass Amerigo eines Tages nach Westen segelte …
    Der andere Brief war von Cesare. Ungeduldig riss ich das Siegel vom Pergament. Ich hoffte auf eine Nachricht, die ich seit Monaten vergeblich erwartete, und überflog sein Schreiben.
    Cesare war seit Ende März in Rom, wo er sich auf seine Investitur als Kardinal vorbereitete. Seine »Exerzitien« schienen aus unzähligen Maskenbällen bei der Nobiltà von Rom, Banketten im Vatikan, Ausritten nach Tivoli und Ostia, Besuchen bei Kurtisanen, Stierkämpfen und anderen Vergnügungen zu bestehen. Er schien alle Todsünden zu begehen – außer der der Langeweile …
    »Mein Vater hat Pläne!«, las ich Cesares schwungvolle Schrift – das Ausrufezeichen war so eindrucksvoll wie der

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