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Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)

Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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erlischt oder das Holz zu Asche verbrennt. Ich hatte keinen Eimer voller Erde und nicht einmal genug Luft im Laboratorium. Bei der entstehenden Hitze der Verkohlung würde ich nach einigen Tagen qualvoll ersticken.
    Trotzdem machte ich weiter. Bis zum Morgengrauen – mit anderen Worten: bis die erste Kerze heruntergebrannt war – versuchte ich, einige Holzsplitter im geschlossenen Alambic zu verkohlen. Das Holz verglühte nicht vollständig – die Ausbeute war lächerlich gering. Erschöpft schlief ich einige Stunden, um eine neue Kerze zu entzünden und mit meinem Experiment fortzufahren.

    In der dritten Nacht begannen die Schmerzen.
    Es war kalt im Laboratorium. Der Athanor brannte nicht mehr, weil ich jeden Holzspan für die Kohleherstellung benötigte, und die eisige Kälte kroch mir Stunde für Stunde schmerzhafter in die Glieder. Nur humpelnd, auf den Schürhaken des Athanors gestützt, konnte ich im Laboratorium auf und ab gehen, um mich warm zu halten. Wie Lorenzo!, schoss es mir durch den Kopf. Die unerträglichen Schmerzen in meinen Gliedern, die mich nach drei Tagen Gefangenschaft zur Unbeweglichkeit verdammten, waren die Gicht. Der schmerzhafte Beweis, dass ich eine Tochter der Medici war – Lorenzos Tochter –, konnte nicht mehr als ein blasses Lächeln auf meine Lippen zaubern.
    Im Schein einer Kerze begann ich zu lesen: Hiobs Geschichte sollte mich trösten. Sie bewirkte jedoch eher das Gegenteil, obwohl Hiob am Ende triumphiert hatte. Aber Hiob hatte bis zum Ende an die Gerechtigkeit Gottes geglaubt – ich tat das nicht. Und ich flüchtete mich nicht wie Hiob in die absurde Erkenntnis, dass Gottes Entscheidungen zu wunderbar sind, als dass ich sie begreifen könnte. Denn ich glaubte, dass es dem Menschen möglich ist, sich zu Gott zu erheben. Das heißt: Gott zu verstehen. Er hatte den Menschen nach Seinem Bild geschaffen, »als Abbild Gottes schuf Er ihn« – also mit einem Verstand, der Gott und sich selbst begreifen kann. Mit einem Gewissen. Und mit einem freien Willen. Dem Willen, die Leiden zu überleben.

    Ein paar Tage später hatte ich genug Kohle verglüht und begann mit meinen Experimenten zur Herstellung des Schießpulvers. Meine Hände zitterten, und ich spürte, wie ich jeden Tag schwächer wurde. Die Kälte, die Dunkelheit, das tagelange Fasten und die furchtbaren Schmerzen zwangen mich in die Knie. Aber ich gab nicht auf. Trotz der Niederlagen, trotz der gescheiterten Experimente, trotz der Tatsache, dass meine Kohlevorräte mit jedem missglückten Versuch dahinschwanden und ich kaum noch Holz hatte, um neue Kohle herzustellen. Trotz der Tatsache, dass auch mein Kerzenvorrat immer kleiner wurde.
    Und ohne Licht brauchte ich auch keine Kohle mehr, denn in der Finsternis konnte ich meine Experimente nicht fortsetzen …

    Von der Katastrophe, die im Feldlager des französischen Königs geschah, habe ich erst Tage später erfahren – von Fra Girolamo.
    Piero hatte den winzigen Strohhalm, den man nicht einmal mit viel Fantasie als Chance bezeichnen konnte, ergriffen und reiste mit einer Delegation nach Pisa, um mit Charles zu sprechen.
    Piero bat den König um Vergebung, weil er es gewagt hatte, sich ihm und seinem Heer zu widersetzen. Er nahm die demütigenden Bedingungen wortlos an und überließ Charles die Städte Pisa und Livorno. Und obwohl Charles bereits das Lösegeld aus Florenz erhalten hatte, verlangte er weitere zweihunderttausend Fiorini. Piero kniete nieder und versprach alles, was Charles verlangte, um seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen.
    Seine Verwandlung von einem unbeherrschbaren jungen Mann zum unbeherrschten Tyrannen von eigenen Gnaden fand ein überraschendes Ende, als er siegesgewiss nach Florenz zurückkehrte, um der Signoria zu berichten, wie mutig er die Republik und den Frieden gerettet hatte.
    Über den Zorn der Ratsherren von Florenz war er aufrichtig verwundert. Ebenso wenig verstand Piero die Vorwürfe, der Regent von Florenz habe sich als unfähig erwiesen. Zornig verließ Piero den Ratssaal, um eine Stunde später mit einer bewaffneten Truppe wiederzukommen. Doch der Rat von Florenz verweigerte ihm mit Waffengewalt den Zutritt zum Palazzo della Signoria. Ein Offizier erklärte Piero, er dürfe den Palazzo nur allein und unbewaffnet durch eine Seitentür betreten. Piero begriff, was das bedeutete: Er war abgesetzt! Er floh in den Palazzo Medici und beriet sich mit seinen Freunden, ob er den Palazzo della Signoria mit Feuer und Schwert

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