Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)
Mönchsgelübde ab. Unter ihnen war auch der todkranke Angelo, der sich in eine Zelle von San Marco zurückgezogen hatte, um endgültig der Welt zu entsagen.
In mein Laboratorium eingeschlossen, fieberte ich Tag für Tag der Nachricht aus Genua entgegen, dass das Geld des florentinischen Bankenkonsortiums eingetroffen war und dass es Charles übergeben werden konnte – als Lösegeld für Florenz. Vergeblich!
Stattdessen traf Charles’ Forderung an Piero ein, Florenz solle sich seinem Heer ergeben, das sich bereits den Grenzen der Toskana näherte. Piero weigerte sich. Herzog Ludovico überredete König Charles, die Banca Medici in Lyon zu schließen und das Vermögen zu konfiszieren, wie der Herzog es bereits mit der Mailänder Filiale getan hatte. Die Schließung der Filiale Lyon wäre ein deutliches Signal an Florenz, dass der französische König nur gegen Piero, nicht gegen die Republik Florenz kämpfte.
Piero reagierte, wie Lorenzo es getan hätte. Er tat nichts, weil er nichts tun konnte, und spielte bis zum grandiosen Finale den Unbesiegbaren. Zugegeben, die Rolle stand ihm so vortrefflich wie seinem Vater – aber im Gegensatz zu Lorenzo kannte Piero seinen Text und sein Stichwort, die Bühne zu verlassen, nicht.
Während die Franzosen sich zum Angriff auf die Festung Sarzana an der Grenze der Toskana vorbereiteten, spielte Piero mit seinen Freunden Fußball auf der Piazza Santa Croce. Er verlor: das Spiel und die Festung Sarzana. Das Spiel war nicht wichtig, und die Festung hätte man nach dem Durchzug der Franzosen ohne Verluste zurückerobern können. Was viel tragischer war: Piero verlor seine Seelenruhe. Und mit ihr sein Ansehen in der Bevölkerung, den Respekt der Signori und damit die Macht in Florenz.
Dann, endlich!, traf von Lionetto die Nachricht ein, dass die genuesische Banca Soli das florentinische Geld erhalten hatte und es an Charles’ Kanzler Briçonnet ausbezahlt hatte. Doch es war zu spät! Charles war in die Toskana eingefallen und marschierte in Richtung Pisa.
Ich hatte nur noch einen Gedanken: Ich musste Florenz vor der Vernichtung retten! Ich musste zu Charles. Sofort!
Schon hatte ich mein Notizbuch und den Talar eingepackt, um aufzubrechen, als es an der Tür meines Laboratoriums klopfte.
»Caterina?«, hörte ich Giovannis Stimme.
Ich öffnete die verriegelte Tür.
Giovanni war bleich wie der Tod. »Komm sofort!«
»Wohin?«, fragte ich verwirrt.
»Nach San Marco! Angelo will dich noch einmal sehen. Er stirbt.«
Angelo lag mit geschlossenen Augen in seiner Zelle. Fra Girolamo kniete vor dem Bett und betete mit ihm das Pater noster, als ich mit Giovanni eintrat. Als das Gebet beendet war, kniete ich neben Angelo nieder und küsste ihn sanft auf die Stirn.
»Jetzt sind alle bei mir, die mir noch etwas bedeuten«, flüsterte er. »Giovanni … und du, Caterina! Alle anderen habe ich verloren: Lorenzo … mein geliebter Michelangelo. Sie waren meine Familie …« Seine Stimme war so leise, dass ich ihn kaum verstand, als er nach einem Atemzug anfügte: »Ich bin frei – ich kann gehen.«
»Der Mensch ist niemals frei«, erinnerte ich ihn traurig.
Giovanni wandte sich schluchzend ab. Fra Girolamo legte den Arm um seine Schultern und redete leise mit ihm, während ich Angelos Hand hielt.
Mit einem zauberhaften Lächeln starrte er auf etwas, was wir nicht sehen konnten. Was wir nicht einmal erahnen konnten. Er streckte die Hand danach aus, schien glücklich zu sein. Endlich!
Angelos Lebenslicht erlosch still und leise. Den einen Moment brannte es noch, dann – nichts mehr. Nichts außer einem seligen Lächeln. Er war dem Leiden entflohen.
Angelos Tod brachte Giovanni völlig aus der Fassung. Er saß auf dem Rand des Bettes und weinte herzzerreißend. Meine tröstende Hand fegte er vom Ärmel seines Dominikanerhabits. Schließlich wischte er sich die Tränen ab, erhob sich und bat Fra Girolamo darum, ihm das Schweigegelübde abzunehmen. Dann verschwand er völlig aufgelöst in seiner Zelle, schloss sich ein und verdammte sich selbst zur Einsamkeit.
Nein, der Mensch ist nicht frei, dachte ich erschüttert, als ich mich schließlich von Angelos Sterbelager erhob und seine kalte Hand losließ. Keine Minute seines Lebens! Denn er will nicht frei sein!
Mit Tränen in den Augen kehrte ich in den Palazzo Medici zurück. Ich trauerte um Angelo. Und ich war zornig über Giovannis Rückzug ins Schweigen. Sein Abschied von mir, bevor er in seine Zelle floh, hatte mir fast das
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