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Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)

Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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Feuer im Athanor erloschen? Der Hauch eines Gedankens wehte durch meinen Verstand. Eine vage Erinnerung … etwas, das Giovanni selbst mir einmal gesagt hatte, vor langer Zeit …
    Das Laboratorium ist explodiert!, schoss es mir durch den Kopf. Ich nahm die Pergamente der unvollendeten Concordia an mich und eilte zurück in Giovannis Allerheiligstes.
    Bei Kerzenlicht besehen war das Chaos größer als vermutet. Meine Schritte knirschten auf den Splittern zerborstener Glaskolben, als ich langsam mit erhobenem Leuchter durch den Raum ging. Neben einer Blutlache kniete ich nieder. Das Blut war kalt, aber noch nicht vollständig getrocknet. Die Explosion konnte noch nicht lange her sein. Ein paar Stunden vielleicht. Hatte einer der Glassplitter Giovanni verletzt? So viel Blut …
    Ein Schimmern auf dem Boden erregte meine Aufmerksamkeit. Ich hob die Kerzen, um besser sehen zu können. Überall zwischen den Glasscherben lag feiner Staub wie frisch gefallener Schnee.
    Eine Hand voll ließ ich durch meine Finger rinnen. Der Staub erinnerte mich an etwas, das ich schon einmal gesehen hatte … Ich starrte auf das funkelnde Pulver auf meiner Handfläche. Dann blies ich es fort, wie Giovanni es damals getan hatte, als wir uns beide um Mitternacht in der Bibliothek des Palazzo Medici getroffen hatten. Er hatte meine Hand ergriffen, sie sanft an seine Lippen gezogen und den feinen Staub, den er in den Ruinen von Bernardo da Trevisos Laboratorium gefunden hatte, in die Luft geblasen.
    Ein Feuerwerk aus schillernden Lichtfunken schneite leise zu Boden. Damals hatte ich mich über den zauberhaften Anblick gefreut. Aber in dieser Nacht erschreckte er mich so sehr, dass ich zu zittern begann. Giovanni hatte Bernardo da Trevisos Notizen gelesen und seine Experimente wiederholt. Und wieder war der Alambic explodiert! Mit einem Mal wurde mir klar: Giovanni hatte das Lebenselixier gefunden.
    Die Explosion des Laboratoriums ist das sicherste Indiz dafür, dass der Adept versucht hat, Gottes letztes Siegel zu entschlüsseln – das hatte Giovanni mir vor drei Jahren erklärt. Entweder er stirbt bei dieser Explosion, oder er verschwindet und täuscht seinen Tod vor. Aber irgendetwas war schief gegangen. So viel Blut! Giovanni war verletzt worden, vielleicht lebensgefährlich, aber er war nicht mehr hier. Also konnte sich das Notizbuch noch irgendwo in seinem Laboratorium befinden. Und tatsächlich: Ich fand es unter einem losen Stein hinter dem Altar seiner Kapelle.
    Hastig blätterte ich durch die Notizen. Die Transmutationen waren sorgfältig aufgezeichnet. Er hatte die Operationen bis zur Con-iunctio in allen Einzelheiten beschrieben. Die Notizen – vor allem aber die Marginalien – glichen erschreckend jenen von Maestro Bernardo: Nachdenklichkeit, Zweifel und trotzige Entschlossenheit, dieses letzte Geheimnis zu enträtseln.
    An diesem Morgen hatte Giovanni den Athanor für die letzte Transmutation angeheizt, bis er glühte. Ungläubig starrte ich auf die Zeichnung, die er in sein Notizbuch gekritzelt hatte: das Bild von einem Mann und einer Frau, eng umschlungen und in sexueller Ekstase in der Tiefe des glühenden Alambic miteinander verschmelzend, um durch die Liebe etwas Neues zu erschaffen – das Leben. Es war nicht diese in der Alchemie übliche verschlüsselte Darstellung der Coniunctio, was mich so entsetzte – es waren die verzückten Gesichter, die er skizziert hatte. Giovanni hatte uns beide, glücklich und erlöst, in inniger Umarmung gezeichnet!
    Er hatte seine Gefühle nicht mehr unter Kontrolle gehabt, als er diese Skizze anfertigte. Die Tinte war verlaufen: Er, der sich selbst in der Stunde nach Angelos Tod zum Schweigen verurteilt hatte, er, der mir vermutlich meine überstürzte Abreise nach Urbino nicht verzeihen konnte, hatte geweint!
    Giovanni hatte an die Coniunctio gedacht, während er laborierte – an unsere erste Nacht, die Nacht meiner Initiation. Wir waren dem Glück so nah gewesen!
    Die Skizze der Liebenden verschwamm vor meinen Augen. Tränen liefen über meine Wangen, und ich hatte nicht die Kraft, sie fortzuwischen. Ich sank in die Knie und weinte.
    Ich wusste, welche Gedanken Giovannis Verstand zerrissen hatten, als der Alambic während der Fusion explodierte. Er hatte zwar geahnt, dass er mit der Transmutation Erfolg haben könnte, hatte sein Notizbuch in Sicherheit gebracht und hinter dem Altar der Kapelle versteckt. Aber er hatte nicht damit gerechnet, dass seine Unbeherrschtheit den Alambic

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