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Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)

Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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Urbino!«, beschloss Gianni, der immer noch annehmen musste, ich wäre gerade erst aus Urbino und aus dem Bett des Herzogs zurückgekehrt. »Herzog Guido wird uns helfen.«
    Er klang so zuversichtlich! Ich schluckte meinen Zweifel hinunter, weil ich Gianni nicht noch mehr beunruhigen wollte. Würde Guido uns wirklich beistehen? Oder war sein Stolz verletzt, nachdem ich ihn nach meiner Rettung von Pieros Attentat in Mailand verließ, um nach Sevilla zu reisen, um mich ein halbes Jahr in Spanien zu amüsieren und – wie hatte Guido bei unserem Abschied gesagt: »Italien seinem Schicksal zu überlassen«? Die Stichelei war doch wieder nur eine zum Kampf gesenkte Lanze gewesen, um eine Verletzung seines Stolzes zu verdecken. Ich hatte Guido durch mein Verhalten nicht gerade ermutigt, irgendwelche Gefühle diesseits der Ironie für mich zu entwickeln.
    Ein paar Minuten später packte ich meine Tasche: meinen Talar, das Notizbuch, meinen Schmuck und Giovannis Conclusiones, die ich aus dem geheimen Versteck in Lorenzos Studierzimmer geholt hatte. Ginevra sah mir traurig dabei zu, wie ich die Sachen in die Leinentasche stopfte. Sie hätte mir gern beim Packen geholfen – schließlich war das ihre Aufgabe –, sie schien sich aber nicht sicher zu sein, wie ich darauf reagiert hätte. »Ginevra!« Ich umarmte sie. »Warum bist du nicht gegangen, als noch Zeit war?«
    »Wohin? Ich kann nicht einfach fortlaufen. Der Magnifico – Gott sei seiner Seele gnädig! – hat mir befohlen, für Euch zu sorgen.«
    »Auch ich trage Verantwortung, Ginevra«, sagte ich. »Für dich und alle, die mir in den letzten Jahren treu gedient haben. Ich will, dass du dich in Sicherheit bringst, bevor wir den Palazzo verlassen. Wenn sie dich hier finden …«
    Ginevra war zu allem entschlossen. »Ich werde nicht fliehen! Ich weiß, dass ich nicht mit Euch gehen kann – es wäre zu gefährlich für Euch. Ihr werdet durchkommen.«
    »Ginevra, das ist Unsinn …«, protestierte ich.
    Zum ersten Mal widersprach sie mir. »Nein, Madonna! Ich kann nicht gut reiten, ich würde hinter Euch zurückbleiben, und Ihr würdet auf mich warten und Euch in Gefahr bringen. Ich werde hier bleiben und Eure Flucht ermöglichen. Ich werde mich in einem Eurer herrlichen Atlaskleider am Fenster zeigen – ich meine: wenn Ihr gestattet. Sie werden glauben, ihr wäret noch alle hier im Palazzo.«
    Gerührt schloss ich Ginevra in die Arme. Sie riskierte ihr Leben, um uns zu retten! »Danke, mia cara. Danke für alles«, flüsterte ich und küsste sie auf die Wange. »Viel Glück!«
    Ginevra blieb zurück, als Giulio meine Hand ergriff und mich aus dem Audienzsaal und die Treppe hinunter in den Hof zerrte. Mit erhobenem Kopf stand sie am Fenster und blickte trotzig ihrem Schicksal entgegen.

    Wir entkamen auf demselben Weg wie wenige Stunden zuvor Giuliano und Piero mit seiner Familie: durch das Gartentor. Wir sattelten vier Pferde in den Ställen hinter dem Palazzo – die Stallknechte waren wie die übrige Dienerschaft längst geflohen – und trabten an San Marco vorbei zur Porta San Gallo.
    Das Tor stand offen, obwohl es bereits Nacht war. Nirgendwo war eine Stadtwache zu sehen. Wahrscheinlich versuchten die Bewaffneten, auf Befehl des Bannerträgers die unruhige Menschenmenge vor dem Palazzo Medici zu zerstreuen, um eine blutige Revolution zu verhindern.
    Durch das Tor galoppierten wir hinaus in die Finsternis der Nacht. Während wir die Straße entlangritten, um über Bibbiena nach Urbino zu fliehen, dachte ich an Ginevra. Ginevra, die jetzt ich war. Ginevra, die am Fenster des Palazzo stand und allein durch ihre stolze Anwesenheit die Menschenmenge in Schach hielt. Was würde mit ihr geschehen, wenn der aufgebrachte Pöbel die Geduld verlor und irgendwann in dieser Nacht das Tor des Palazzo stürmte? O Ginevra, verzeih mir, dass ich dich verließ! Vergib mir, dass ich so egoistisch war, dein Geschenk an mich anzunehmen: mein Leben und meine Freiheit. Freiheit! Was war sie noch wert angesichts des Opfers, das Ginevra gebracht hatte?
    Sie hatte uns gerettet. Uns alle. Gianni, Giulio, Michelangelo und mich. Viel war nicht übrig von der Herrlichkeit und dem Ruhm des Hauses Medici. Sic transit gloria medicea. Lorenzo war vor fast drei Jahren gestorben, sein Sohn und Nachfolger Piero war vor wenigen Stunden nach Venedig geflohen, Gianni, Giulio und ich waren auf der Flucht nach Urbino. Michelangelo würde uns in wenigen Stunden verlassen und nach Bologna gehen – es

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