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Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)

Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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die den ganzen Saal umfasste. Er hatte die Skizzen an den Wänden bemerkt und riss ein mit Leim an der Wand befestigtes Pergament ab. »Was ist das hier?«
    »Eine Maschine, die Griechisches Feuer in eine belagerte Stadt schießt«, erklärte Leonardo seine Erfindung.
    »Und das hier?« Cesare riss eine weitere Skizze von der Wand.
    »Eine Kanone, die jede Stadtmauer in wenigen Minuten sturmreif schießt.«
    »Ich bin beeindruckt.« Cesare legte Leonardo den Arm um die Schulter und ging ein paar Schritte mit ihm. »Ich suche einen fähigen Militäringenieur, der nicht nur fantastische Skizzen zeichnet, sondern seine Maschinen auch so bauen kann, dass sie funktionieren. Kennst du Giuliano und Antonio da Sangallo aus Florenz? Und Donato Bramante aus Urbino? Wen kannst du mir guten Gewissens empfehlen?«
    Leonardo zögerte keinen Augenblick: »Mich.«
    Cesare lächelte über Leonardos Selbstbewusstsein. »Gut, mein Freund. Ich werde dich rufen lassen, wenn ich dich brauche. In der Zwischenzeit beginnst du damit, die Gussformen meines Cavallo vorzubereiten.«
    Cesare verabschiedete sich sehr herzlich von Leonardo. Dann verließen wir die Werkstatt und traten in den Hof hinaus.
    Er lehnte sich gegen eine Säule der Arkaden und sah in den rotglühenden Himmel hinauf. Eine Weile stand er so, unbeweglich, nachdenklich. »Ich werde im Morgengrauen aufbrechen«, sagte er schließlich so leise, als fürchtete er, mich mit unserer erneuten Trennung zu verletzen. »Warum kommst du nicht mit mir nach Rom?«, fragte er mich, als hätte ich ihm die Antwort nicht schon letzte Nacht gegeben.
    »Weil ich in Mailand zu Hause bin, Cesare. Die Stadt gefällt mir, ich fühle mich hier wohl, meine Freunde sind hier …«
    »Ist Herzog Ludovico dein Freund? Oder Kardinal Ascanio?«, versuchte er mich zu provozieren – erfolglos.
    »… mein Laboratorium …«, fuhr ich unbeirrt fort.
    »Das kann in ein paar Tagen schon im Vatikan sein.«
    »… und weil ich nicht schon wieder fliehen will. Ich habe einen Ort gefunden, an den ich gehöre. Das ist Mailand.«
    Er schwieg, überlegte wohl, ob es einen Ort gab, an den er gehörte. Er sehnte sich so sehr danach, aus dem Windschatten seines Vaters zu treten, um sich durch den Sturm zu kämpfen und einen Ort zu finden, den er sein Zuhause nennen konnte. »Wenn der Prophet nicht zum Tempel kommt, dann muss sich der Tempelpriester wohl zum Propheten begeben. Wenn du nicht mit mir nach Rom zurückkehrst, werde ich nach Mailand kommen.«
    »Du willst Mailand erobern? Mit Leonardos Belagerungsmaschinen?«, lachte ich. Ich nahm ihn nicht ernst. Ich hätte es tun sollen! Ich hätte seine Worte für die Wahrheit und nichts als die Wahrheit halten sollen! »Es wird Ludovico aber gar nicht gefallen, wenn du im Castello regierst«, sagte ich.
    Cesare lachte übermütig. »Ich werde mit ihm reden. Nach Beatrices Tod ist er ein gestrandetes Wrack. Er ist unfähig zu irgendeiner vernünftigen Entscheidung. Das Exil in Pavia kann so unerträglich nicht sein: ein schöner Palast, eine großzügige Apanage für seine aufwändige Hofhaltung … und seine Geliebten kann er meinetwegen mitnehmen.« Er schlang beide Arme um mich und zog mich an sich. »Ich bringe nämlich meine eigene mit.«
    »Du solltest die Eroberung von Mailand vielleicht noch etwas verschieben«, neckte ich ihn. »Zumindest so lange, bis dein Fieber gesunken und dein Verstand zurückgekehrt ist.«

    Im Morgengrauen ritt Cesare mit Micheletto nach Genua, um sich nach Ostia einzuschiffen. Dann hörte ich wochenlang nichts von ihm – nicht einmal die gewohnten Gerüchte über sein extravagantes Liebesleben oder die üblichen Verdächtigungen über eine blutige Vendetta im Vatikan. Was war mit Cesare? Hatte er mit seinem Vater über seine Pläne gesprochen, den Kardinalspurpur abzulegen? Wie hatte Rodrigo auf diesen Entschluss reagiert? Hatten die beiden gestritten?
    Am Karfreitag beschloss Giovanni Sforza, die feierliche Pilgerfahrt durch die sieben Kirchen Roms zu machen, stieg auf sein Pferd und verschwand aus Rom. Ohne zu rasten ritt er nach Pesaro und sandte seinem Onkel Ludovico eine Nachricht, dass er im Vatikan nur mit knapper Not einem Giftanschlag der Borgia entkommen war. Rein zufällig habe er ein Gespräch zwischen Cesare und Lucrezia belauscht, in dem der Kardinal seiner Schwester mitteilte, die »Heilige Familie« habe beschlossen, ihn zu ermorden. Ludovico zeigte mir Giovanni Sforzas Brief, den ich ungläubig las. Ich war entsetzt. Es

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