Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)
konnte nicht sein! Oder doch? Wollte Cesare den Conte vergiften, um Pesaro zu annektieren? Dieser winzige Tintenklecks auf der italienischen Landkarte hatte mit Giovanni Sforzas Flucht aus Rom eine wichtige strategische Bedeutung als Seehafen bekommen.
Eine Sturzflut von Briefen traf in den folgenden Tagen aus Pesaro im Castello ein. Giovanni Sforza flehte seinen Onkel an, Papst Alexander zu bewegen, dass er Lucrezia nach Pesaro schickte. Der Papst weigerte sich und bestand darauf, dass sein Schwiegersohn nach Rom zurückkehrte. Doch der verkroch sich ängstlich in seinem Palazzo und antwortete auf keines der päpstlichen Breves.
Alexander ärgerte sich mit diesem Gordischen Knoten nicht viel länger herum als Alexander der Große: Er zerhieb ihn mit einem Schlag. Er schickte Fra Mariano da Genazzano, der mittlerweile General der Augustiner geworden war, nach Pesaro, um den eigensinnigen Schwiegersohn von der Annullierung der Ehe mit Lucrezia in Kenntnis zu setzen.
Ludovico tobte, als er davon erfuhr. Alexanders Absichten waren erschreckend eindeutig. Der Cousin von König Charles, Louis von Orléans, hatte durch seine Großmutter Valentina Visconti einen Anspruch auf Mailand. Falls die Franzosen erneut in Italien einfielen, um sich für die demütigende Niederlage beim letzten Feldzug zu rächen, wollte der Papst nicht an die Sforza gebunden sein. Mit anderen Worten: Alexander suchte einen neuen, zuverlässigeren Bündnispartner, und Lucrezia sollte eine andere Ehe eingehen. Aber mit wem? Mit Neapel! Federico, der Onkel des abgesetzten und geflohenen Königs Ferrantino, sollte in wenigen Wochen von Cesare zum neuen König von Neapel gekrönt werden. Was lag näher als zu vermuten, dass nach Jofré nun auch Lucrezia einen Aragón heiraten sollte?
Aber was war mit Cesare? Steckte er wirklich hinter dem angeblichen Attentat auf den Conte von Pesaro? Ich begann zu zweifeln. An Cesares Absichten und an seiner Aufrichtigkeit.
Dann, Ende Mai 1497, traf ein Brief für mich ein. Ein Diener brachte ihn mir, als ich spät von einem Abendessen mit Ludovico und Ascanio in meine Räume zurückkehrte. Der Herzog und der Kardinal waren beunruhigt über die Entwicklung in Pesaro. Das Abendessen war eine Krisensitzung gewesen, um zu entscheiden, wie die Sforza auf diese Bedrohung reagieren sollten. Müde saß ich kurz vor Mitternacht in meinem Sessel am Kamin und starrte in die Flammen, als ein Diener mir das Schreiben überreichte.
Der Brief war an mich adressiert: Caterina de’ Medici, Castello Sforzesco, Mailand. Eine Nachricht von Cesare?, hoffte ich. Wie gern hätte ich seine Version des angeblichen Mordanschlages auf Giovanni Sforza gelesen! Mit zitternden Fingern drehte ich das Schreiben um: Es war nicht Cesares Siegel, sondern Amerigos. Ich schluckte meine Enttäuschung über Cesares Schweigen hinunter und riss das Wachssiegel ab, um den Brief zu lesen:
Meine liebe Caterina, hatte Amerigo geschrieben,
ich muss dir ein Geständnis machen. Ich habe nie verstanden, warum du Mailand nicht mehr verlassen willst. Du hast gesagt: »Ich habe alles verloren, meine Familie, meine Heimat Florenz, selbst meinen Namen. Und doch habe ich gewonnen: meine Freiheit«. Wie gut ich dich jetzt verstehen kann! Denn auch ich bin jetzt frei zu tun, was ich schon so lange tun will. Vor wenigen Wochen erfuhr ich, dass das Medici-Kontor in Sevilla geschlossen wird. Ich war traurig, denn das bedeutete, dass ich nach Florenz zurückkehren müsste. Ich habe die Geschäfte abgewickelt und meine Truhen gepackt. Und wurde von Tag zu Tag trauriger. Ich wollte nicht zurückkehren. Nicht, nachdem ich schon so weit gekommen war!
Fortuna hatte ein Einsehen. Zufällig traf ich zwei Männer, die eine Seereise nach Westen machen wollen: Vincente Yañez Pinzón, der schon mit Cristoforo Colombo nach Indien gesegelt war, und Juan Diaz de Solis. Sie haben nicht viel Geld für ihre Expedition, und daher suchten sie jemanden, der ihnen beim Kauf von Schiffen und bei der Ausrüstung der Expedition hilft. Ich habe sofort zugesagt, die Ärmel hochgekrempelt und mit der Arbeit begonnen. Meine Entschlossenheit hat Pinzón und de Solis derart beeindruckt, dass sie mich nur wenige Tage später fragten, ob ich sie begleiten will. Du brauchst nicht viel Fantasie, um zu erraten, wie meine Antwort lautete.
Caterina, du kannst dir nicht vorstellen, wie glücklich ich bin! Meine Truhen sind schon an Bord. Über mir, an Deck, höre ich, wie die Matrosen das Schiff klar
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