Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)
denselben Symptomen helfen müsse, da es die Selbstheilungskräfte anregte und den Lebenswillen stärkte. Ursache und Wirkung und deren Verkehrung ins Gegenteil. Mit Hippokrates’ Worten: Similia similibus curantur – die Symptome durch ihre Ursache heilen. Durch eine winzige Dosis Arsen!
Ich schickte Giacomo ins Castello Sforzesco und erklärte ihm, was er mir aus meinem Laboratorium bringen sollte.
Zwei Stunden später gab ich Cesare einen Schluck der Medizin, die ich hergestellt hatte.
»Was ist das?«, fragte er, nachdem er getrunken hatte.
Ich sagte es ihm: Ein Tropfen Veleno, das nur Spuren von Arsen enthielt, hundertfach verdünnt mit Aquavit.
»Dein Aqua vitae schmeckt hervorragend«, grinste er übermütig, »Es könnte Tote lebendig machen. Und jeden, der noch ein wenig Leben in sich spürt, umbringen.«
»Meinst du, ich sollte mehr herstellen und es verkaufen?«, ging ich auf seinen Scherz ein.
»In Rom könntest du als Giftmischerin ein Vermögen machen …«, stöhnte Cesare unter Schmerzen, als sich sein Magen verkrampfte, »Du könntest … dein Aqua vitae und dein Veleno … ausschließlich für den Vatikan produzieren … und hättest einen reißenden Absatz.« Er sank kraftlos in die Kissen zurück und schloss die Augen. Schweiß rann über seine heiße Stirn.
Während er sich vor Schmerzen wand, hielt ich seine Hand. Mehr konnte ich nicht für ihn tun, denn das einzige Mittel, das ihm Linderung gebracht hätte, wäre Opium gewesen. Die tödliche Dosis.
Nach zwei Stunden verschlimmerte sich sein Zustand erschreckend schnell. Er stöhnte wie unter der Folter, während er sich wild im Bett hin und her warf. Micheletto und ich hatten Mühe, ihn festzuhalten, damit er sich nicht selbst verletzte. Sein Fieber stieg immer weiter. Ich ließ Giacomo Eis aus den Kühlkammern des Castello besorgen und rieb Cesare damit ab. Er litt, doch er ertrug die Schmerzen ohne Lamentieren. Wie ein Ertrinkender sich an den treibenden Überresten seines gesunkenen Schiffes festhielt, klammerte er sich an die Hoffnung auf ein neues Leben.
Während der Nacht besserte sich sein Befinden. Er atmete ruhiger, die Schmerzen ließen nach, das Fieber sank ein wenig. Gegen Morgen bat er mich um eine zweite Dosis, und ich gab ihm einen weiteren Schluck der Medizin. Wieder trat nach zwei Stunden eine dramatische Verschlimmerung ein, die mich um sein Leben fürchten ließ, aber er erholte sich schneller als beim ersten Anfall. Nach einem dritten Schluck verfiel er trotz der Schmerzen, die ihn immer wieder quälten, in eine euphorische Stimmung.
Ich mahnte ihn, zur Ruhe zu kommen und ein paar Stunden zu schlafen, aber er winkte fröhlich ab: »Schlafen kann ich noch, wenn du meinen Sargdeckel zugenagelt hast.«
Am nächsten Abend ging es ihm so gut, dass er das Bett verlassen konnte. Ich half ihm die Treppe hinunter, und wir gingen ein wenig im Hof des Palastes spazieren. Er stützte sich auf mich, nicht weil er zu schwach war, sondern weil er mich festhalten wollte. Auf seinen Wunsch führte ich ihn in Leonardos Wohnung, wo der Maestro uns erwartete.
»Du weißt, wer ich bin?«, fragte Cesare, als Leonardo auf die Knie fiel und ihm die Hand küsste.
»Ja, Euer Eminenz«, antwortete Leonardo, während er sich erhob.
»Ich danke dir für deine Verschwiegenheit, Maestro. Sie hat mir das Leben gerettet.« Cesare legte Leonardo die Hand auf die Schulter und ging mit ihm zu den Gussformen des Cavallo hinüber. »Das Reiterstandbild von Francesco Sforza wäre großartig geworden. Ich bin beeindruckt. Die Gussformen sind ja größer als die für Kanonen. Du verstehst dich auf die Kunst des Bronzegusses?«
»Ja, Euer Eminenz. Leider ist das Terrakottamodell für das Cavallo während der französischen Invasion beschädigt worden.«
»Kannst du es reparieren?«, fragte Cesare, während er mit beiden Händen die Miniaturversion des Tonmodells streichelte, als wäre es ein wirkliches Pferd.
»Ja, Euer Herrlichkeit. Aber Herzog Ludovico hat nicht genug Bronze, um die Statue seines Vaters in dieser Größe fertigen zu lassen. Während der Invasion hat er Kanonen gießen lassen.«
»Ich wünsche, dass du das Modell des Pferdes reparierst, Maestro Leonardo. Für die Gussformen von Francesco Sforza werde ich allerdings keine Verwendung haben.«
Leonardo war verwirrt. »Ich verstehe nicht …«
»Ich werde dir selbst Modell sitzen. Und dann können wir uns in Ruhe über all das unterhalten.« Cesare machte eine weite Armbewegung,
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