Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)

Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
Vom Netzwerk:
Euch im Kampf überwältigen zu lassen. Aber zuerst werde ich erbittert Widerstand leisten, damit auch Ihr unser kleines Handgemenge genießen könnt«, versprach er anzüglich.
    »Ich bin beeindruckt von Eurer geradezu selbstverleugnenden Höflichkeit, mir den Sieg zuzusprechen, bevor wir uns über die Wahl der Waffen einig geworden sind«, lächelte ich verschmitzt.
    »Welche Waffen bevorzugt Ihr denn?«, fragte er misstrauisch.
    Wie eine Maske setzte ich mein strahlendstes Lächeln auf. »Der Ehering gehört jedenfalls nicht dazu!«
    Hoffnungslos verwirrt ließ ich ihn in der Kapelle zurück und fragte mich, wie lange er in dieser Nacht auf mich warten würde …

    Giulio lag auf seinem Bett, als ich wenig später sein Schlafzimmer betrat. Wie ein Toter lehnte mein Bruder in den Kissen und starrte mit gefalteten Händen hinauf in den Brokathimmel. Er war blass und sprach kein Wort – jedenfalls nicht mit mir.
    »Giulio?«, sprach ich ihn an.
    Als ich näher an das Bett trat, wäre ich fast über eine zertrümmerte Laute gestolpert, deren Splitter auf dem Boden verstreut lagen. Was hatte meinen Bruder derart erzürnt, dass er das Instrument zerstört hatte?
    Giulio stöhnte und wandte sich ab. Ich sollte seine Tränen nicht sehen. Neben ihm auf der Bettdecke lag aufgeschlagen das Matthäus-Evangelium, Kapitel 16. Ich zog das Buch zu mir heran und las den Vers, den Giulio unterstrichen hatte: »Jesus sagte zu seinen Jüngern: Wer mein Anhänger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach.«
    Er hatte sich zur Wand gedreht und seine Schultern zuckten, aber er sagte kein Wort – nicht einmal ein Schluchzen kam über seine Lippen. Ich setzte mich auf den Rand des Bettes und legte ihm tröstend die Hand auf den Arm.
    »Lass mich in Ruhe!« Mit einer heftigen Geste wischte er meine Finger von seiner Schulter.
    »Ich werde gehen, Giulio«, versprach ich ihm. »Sobald du mir gesagt hast, warum du weinst.«
    Er drehte sich auf den Rücken und sah mich an. Tränen liefen ihm über die Wangen, sein Mund war fest zusammengekniffen, als müsste er sich mühsam beherrschen, um nicht laut loszuschreien. »Er hat Nein gesagt«, schluchzte Giulio. »Er will nicht, dass ich Priester werde! Es ist ungerecht! Gianni ist Kardinal und will es nicht sein, und ich will Priester werden und darf es nicht. Lorenzo wünscht, dass ich Piero eines Tages bei der Regentschaft unterstütze. So wie unser Vater Giuliano Lorenzo geholfen hat.« Giulio schniefte und fuhr sich mit dem Ärmel über die Augen.
    »Was ist mit deinem Studium?«, fragte ich.
    »Lorenzo hat mir verboten, Theologie zu studieren. Ich soll nach Weihnachten für zwei Jahre nach Bologna gehen und dort Kenntnisse des Rechts erwerben.«
    Tröstend ergriff ich seine Hand. »Was wirst du tun, Giulio?«
    »Was kann ich denn tun, wenn der Allmächtige befiehlt?«, rief er, und ich fragte mich, wen er als den Allmächtigen bezeichnete: Gott oder Lorenzo.
    Eine Weile lag Giulio schweigend auf dem Bett. Dann versprach er schicksalsergeben: »Ich werde mein Kreuz auf mich nehmen!«

    Giovanni Sforza hatte für diesen Abend eine Einladung des Bannerträgers zum Abendessen im Palazzo della Signoria angenommen. Ich nahm an, dass er nur zu gern einer Fortsetzung des Gespräches mit Lorenzo über die Bündnispolitik der Sforza entging – und dem damit unweigerlich verbundenen Funkenflug.
    Giulio hatte mich gebeten, ohne ihn zum Abendessen hinunterzugehen. Er habe noch ein paar Dinge zu ordnen – unter anderem seine eigenen Gedanken. In seinem aufgelösten Zustand hätte er Lorenzo ohnehin nicht unter die Augen treten können. Ich hatte meinen Bruder umarmt und ihn dann allein gelassen.
    Das Abendessen fand in gewittriger Atmosphäre statt, mit Blitz und Donnergrollen.
    Lorenzo schien furchtbare Schmerzen zu haben. Er hatte sich von seinem Arzt ein Fläschchen Opium geben lassen, um einige Tropfen in den Wein zu tun. Seine Wut über den diplomatischen Fehltritt des Conte und den Wunsch seines Neffen, Priester zu werden, war noch nicht verraucht. Er aß schweigend.
    Neben ihm saß ein junger Mann von sechzehn Jahren. Lorenzo hatte mir Michelangelo Buonarroti als Schüler des Malers Domenico Ghirlandaio vorgestellt, der seit einigen Monaten im Skulpturengarten von San Marco als Bildhauer arbeitete. Lorenzo war auf ihn aufmerksam geworden, als er die Statue eines antiken Fauns so genau nachbildete, dass er das Original nicht von der Kopie unterscheiden

Weitere Kostenlose Bücher