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Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)

Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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Lorenzo unterstützt die Sapienza von Pisa so großzügig, dass die Professoren ihre Talare in die Reisetruhen gepackt haben, um in Pisa zu lehren.«
    »Das heißt, du willst studieren?«, fragte ich enttäuscht.
    Endlich hatte ich einen Bruder gefunden, und nun sollte ich ihn schon in wenigen Wochen wieder verlieren! Eigentlich hätte ich mich für ihn freuen sollen: Giulio wollte dasselbe tun wie ich.
    Er sah meinen niedergeschlagenen Gesichtsausdruck: »Auch du wirst irgendwann aus Florenz weggehen, Caterina. Du wirst …«
    »… heiraten?«, unterbrach ich ihn lauter als beabsichtigt. »Ich werde an irgendeinen Marchese oder Conte von Nirgendwo verkauft werden! Ich werde im Bett eines Mannes liegen, den ich nicht liebe. Ich werde darum beten, dass ich schwanger werde, damit er mich in Ruhe lässt. Und nach acht oder neun Geburten bin ich am Ende. Ich bin dann erst fünfundzwanzig!«
    Pflichten, Verantwortung und Disziplin!, dröhnte es wie die Glocken von Santa Maria del Fiore durch meinen Kopf. War ein Ehebündnis das Opfer, das zu bringen ich geschworen hatte? War ich selbst das Opfer – meine Träume, meine Hoffnungen, meine Sehnsucht nach Liebe?
    »Das sind die Regeln«, seufzte Giulio.
    »Ich habe die Regeln nicht gemacht. Also muss ich mich nicht daran halten«, rief ich zornig aus. »Warum, glaubst du, spreche ich so gut Latein? Eine Gelehrte will ich werden!«
    Giulio starrte mich an, als hätte ich ihm erklärt, dass ich einen neuen Orden der Gelehrsamkeit gründen und anstelle von Glaube, Gehorsam, Armut und Keuschheit das Gelübde des Wissens, der Kreativität und des undogmatischen Denkens ablegen wollte.
    »Eine Gelehrte?«, fragte mein Bruder zweifelnd.
    »Wie Leonardo da Vinci in Mailand. Oder Giovanni Pico della Mirandola hier in Florenz.«
    »Aber warum?«, fragte mein Bruder verständnislos.
    »Wieso malt Sandro Botticelli? Wieso dichtet Angelo Poliziano? Wieso erforscht Leonardo da Vinci die irdische Welt und Giovanni Pico della Mirandola die göttliche? Weil es ihnen Lust bereitet, ihren Wissensdurst zu stillen. Weil sie ihre Grenzen erforschen wollen – die der Fantasie, der Kreativität, des Glaubens und Wissens. Weil sie, wenn sie tun, was sie tun, sie selbst sind.«
    Giulio schüttelte den Kopf – mitleidig, wie mir schien. »Willst du vielleicht auch studieren? Philosophie, Theologie und Medizin? In Bologna, Padua und Paris?«, fragte er.
    Giulios Tonfall erinnerte mich an Pieros Affront. Vielleicht machte mich seine Bemerkung deshalb so ungehalten. »Warum nicht?«, fragte ich in möglichst herausforderndem Tonfall.
    »Du hast heute von Angelo eine Überdosis Philosophie bekommen: ›Werde, der du bist!‹ Das hat dir den Kopf verdreht. Piero hat Recht: Du solltest nicht Griechisch lernen. Es bringt dich auf dumme Gedanken.«
    » Das hat Piero gesagt?« Wie ich meinen Cousin hasste! Wie konnte er es wagen …
    »Du kannst nicht studieren, weil es gegen die Regeln ist«, erklärte Giulio geduldig. »Frauen sind an den Universitäten nicht zugelassen. Weder tagsüber in den Vorlesungen der Professoren noch nachts in den Betten der Studenten. Sei zufrieden, wenn Lorenzo dir in seiner humanistischen Großzügigkeit gestattet, bei Angelo Poliziano Pindar und Homer zu lesen. Weder Maddalena noch Lucrezia oder Contessina hatten das Glück, Griechisch oder Latein zu lernen. Sie lernten bei Pier Luigi, den umfangreichen Haushalt eines Palazzo zu führen. Sie übten Singen, Tanzen und Lautespielen, sie exerzierten das höfische Benehmen, sie lernten zu schweigen und wie sie ihren Männern gefallen, indem sie bescheiden hinter ihnen stehen.«
    »Ich werde weder formvollendet schweigen lernen noch mich mit einem Platz in der zweiten Reihe zufrieden geben, Giulio«, versprach ich ihm temperamentvoll. »Ich brauche niemanden, der mich festhält – ich habe den aufrechten Gang schon als Kind gelernt. Und ich brauche erst recht niemanden, der versucht, mich vor mir selbst zu schützen. Er wird scheitern! Ich will in meinem Leben keine andere Rolle spielen als mich selbst, Caterina de’ Medici. Denn ich bin der ich bin!«
    Giulio sah mich lange an, sagte aber nichts. Seine Lippen waren fest zusammengekniffen, als könnte er so verhindern, dass ihm Worte entglitten, die er nicht sagen wollte. Noch nicht …
    Schweigend gingen wir durch die Antikensammlung, blieben hin und wieder vor einer Marmorstatue stehen, um sie zu betrachten. Die Schatten der Abenddämmerung senkten sich wie schwarze Tücher

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