Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)
herzustellen.« Er wies auf mein altes Buch mit den gefälschten Rezepturen.
»Und ist es dir gelungen?«
»Nein. Ich habe alles Mögliche gefunden, aber kein Gold. Obwohl ich die Schriften von Basilius Valentinus und Guido de Montanor studiert habe, die sehr genaue Anweisungen hinterlassen haben, ist es mir nicht gelungen. Und die alchemistischen Aufzeichnungen von Ibn Tufail habe ich, ehrlich gesagt, nicht verstanden …«
»Gold? Ist das alles, was du willst?«, fragte ich. »Kein Aurum potabile, kein Elixirium vitae, keinen Lapis philosophorum ?«
»Im Augenblick würde mich Gold glücklich machen. Ich muss Césars Feldzüge in der Romagna finanzieren.«
Ich griff in die Tasche und drückte ihm einen Golddukaten in die Hand. »Mein Beitrag zur Vergrößerung des Kirchenstaates. Mehr habe ich nicht. Den Ablassbrief mit der Quittung brauche ich nicht. Ich schenke ihn dir.«
Er überhörte meine spitze Bemerkung. »Eine Goldmünze wird kaum reichen, um ein Heer anzuwerben.«
»Ich werde kein Gold herstellen, Rodrigo«, erklärte ich ungeduldig. »Wenn du darauf bestehst, dass ich meine magischen Fähigkeiten unter Beweis stelle und du dich von mir betrügen lassen willst, dann kann ich dir noch heute aus Arsen und Schwefel Auripigment herstellen, das aussieht wie Gold. Das ist die magische Ars Aurifera, die Kunst des Goldmachens: eine Lüge. Wenn du Gerberts Schriften aufmerksam gelesen hast, weißt du, dass die Herstellung von reinem Gold unmöglich ist. Selbst wenn du mich in die Engelsburg sperrst, wie Cesare mir angedroht hat: Ich kann und will und werde kein Gold machen.«
Er sah mich nachdenklich an, sagte aber nichts. Meine eigensinnige Weigerung machte ihn nicht einmal wütend. Offensichtlich lag ihm mehr an der Wahrheit als am Rausch der Macht.
»César hat mir erzählt, du hättest in Mailand bei Leonardo da Vinci die Examination zur Maestra der Alchemie abgelegt. Er war ganz begeistert von den Kenntnissen und Fähigkeiten dieses Spinners und hat mir von dessen Griechischem Feuer vorgeschwärmt. Aber als ich hörte, dass Maestro Leonardo noch an der Separatio herumlaboriert, war ich froh, dass César dich als Alchemistin in den Vatikan brachte. Woran arbeitest du?«
»An der Mortificatio «, erklärte ich. Wenn er in meinem Notizbuch blätterte, würde er es ohnehin herausfinden.
»Ich auch«, erwiderte er.
»Du?«, fragte ich überrascht. »Wenn du allein so weit gekommen bist, wozu brauchst du mich?«
»Weil mir dieses Experiment bisher misslungen ist.«
»Kein Wunder«, sagte ich und deutete auf den Alambic. »Gerberts Laboratorium ist nach fünfhundert Jahren in einem gefährlichen Zustand. Sei froh, dass der Athanor nicht die erforderliche Temperatur erreicht. Du hättest dich in die Luft sprengen und die Mortificatio mit einem grandiosen Sühneopfertod an dir selbst vollziehen können.«
Betroffen sah er mich an. »Ist das die Wahrheit?«, fragte er.
»Nichts als die Wahrheit, Rodrigo.«
»¡Muy bien!« , sagte er. »Ich hatte keinen Maestro, der mich in die Mysterien einführte. Mein ganzes Wissen verdanke ich den Schriften von Gerbert d’Aurillac, Guido de Montanor und dem Benediktinermönch Basilius Valentinus. Du hattest zwei berühmte Maestros: Giovanni Pico und Leonardo da Vinci. Ich will, dass du meine Maestra wirst. Ich will, dass du mich führst.«
Ehrlich gesagt, war ich fasziniert von der Vorstellung, den Papst als Schüler anzunehmen. Am schwierigsten war für mich nicht die Entscheidung, Rodrigo eine Macht zu verleihen, die er ohne mich nicht hätte, ohne auch nur ahnen zu können, was er damit anfangen würde. Nein, es war die Tatsache, dass ich in meinem Leben nur einen einzigen Schüler ausbilden durfte, die mich wochenlang zögern ließ. Denn wenn ich mich für Rodrigo entschied, führte ich meinen Wunsch nach einem Sohn oder einer Tochter, die nach meinem Tod mein Werk fortführen könnten, ad absurdum. Trotz meines wochenlangen Zögerns bedrängte Rodrigo mich nicht. Er wusste, dass seine Initiation allein in meinem Ermessen lag, und ließ mich in Ruhe nachdenken.
Während der Weihnachtsfeiertage, als Cesare in der Romagna die Stadt Forli belagerte, besuchte ich fast täglich Lucrezia und Alfonso in ihrem Palazzo. Stundenlang spielte ich mit ihrem Sohn Rodrigo, trug den Kleinen herum, wenn er schrie, wiegte ihn in den Schlaf, während ich mich mit Lucrezia unterhielt. Manchmal blieb ich zum Abendessen, bei dem meist Gäste des Herzogspaares anwesend waren –
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