Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)
stehen und mir seinen Dolch in den Rücken rammen, um anschließend zu behaupten, er hätte immer gewusst, dass ich stürzen würde.
Versteh mich nicht falsch, Caterina: Ich bin nicht unzufrieden mit dem, was ich in dieser kurzen Zeit erreicht habe. Ich bin ein erfolgreicher Feldherr, ein angesehener Fürst. Eine goldschimmernde Ikone des Erfolgs, der wichtigsten Gottheit im Pantheon des Rinascimento. Aber eben eine Ikone – selbstbeherrscht, diszipliniert, verantwortungsbewusst und ohne Emotionen, die meine Freunde und Feinde doch nur erschrecken könnten. Und ohne Liebe.« Er lauschte auf das fröhliche Gelächter, das vom benachbarten Saal herüberwehte.
»Wie viele sind heute gekommen, um mich zu sehen? Um mich zu ehren? Um mich hinter vorgehaltener Hand mit einem höflichen Lächeln zu diffamieren? Niemand liebt mich, keiner von ihnen, weder mein Vater noch meine intrigante Schwester oder ihr selbstgefälliger Gemahl. Sie alle fürchten mich, weil ich das tue, wovon sie immer nur geträumt haben. Sie ziehen meinen Namen durch den Schmutz, weil sie glauben, dass ich so weniger gefährlich bin, dass sie so Macht über mich haben. Aber sie bewundern mich auch, weil ich alles erreichen kann, wenn ich es nur will. Und wenn ich Opfer bringe. Aber sie lieben mich nicht, weil ich bin, wie ich bin. Nein, sie hassen mich, weil ich nicht bin wie sie .« Er schlug mit der Faust auf das Fenstersims, fuhr sich über das Gesicht und wandte sich zum Fenster, damit ich nicht sah, wie er mit den Tränen rang. Als er sich beruhigt hatte, drehte er sich wieder zu mir um:
»Nein, Caterina, ich bin nicht der, der ich sein wollte. Ich wollte dich lieben, bis der Tod uns trennt. Ich wollte mit dir zusammen unsere Kinder erziehen und ihnen all das geben, was ich vermisst habe. Ich wollte …« Er seufzte, fuhr sich mit der Hand über die Augen. »Wir hatten so viele Gefühle …«
»Und nun stehen sie zwischen uns, Cesare. Sie verwirren uns. Mich jedenfalls«, erklärte ich.
»Glaubst du, dass eine Versöhnung zwischen uns möglich ist?«, fragte er, während er ein paar Schritte auf mich zukam.
Ich wich ihm nicht aus. »Ich führe keinen Krieg gegen dich.«
»Obwohl dein Vater dir geraten hätte, es zu tun?«, konterte er.
Erschrocken zuckte ich zusammen. Was wusste er? Hatte Piero ihm erzählt, dass Lorenzo mein Vater war?
»Mein Vater?«, fragte ich und sah ihm in die Augen. »Ja, er hätte mir geraten, dir erbitterten Widerstand zu leisten.«
»Aber du hast dich nicht daran gehalten.«
»Jeder spielt das Spiel nach seinen eigenen Regeln«, entgegnete ich, als wüsste er das nicht längst.
»Nach welchen Regeln spielst du, Caterina?«, wollte er wissen.
»Regel eins: Erkenne, dass du allein bist. Vertraue niemandem. Regel zwei: Versprich niemandem etwas, nicht einmal wenn du gedenkst, dieses Ehrenwort zu halten. Und glaube keinem Versprechen, das dir gegeben wird. Regel drei: Lass dich nie zwei Mal von demselben Freund verraten. Regel vier: Sei jederzeit bereit, alles aufzugeben, um etwas Neues zu beginnen. Regel fünf: Streiche das Wort ›gesellschaftliche Konventionen‹ aus deinem Wortschatz. Tu, was du willst!«
»Das sind Spielregeln, die ich akzeptieren kann«, sagte er leise und reichte mir die Hand, um mit mir Frieden zu schließen.
Zögernd ergriff ich sie, und er zog mich an sich, umarmte mich und küsste mich leidenschaftlich.
Wie lange wir so standen und uns aneinander festhielten, weiß ich nicht mehr. Die Zeit schien stehen geblieben, bis die Sonne untergegangen war.
Die Erkenntnis, dass wir einfach nicht voneinander lassen konnten, wie sehr wir uns auch aneinander verletzten, war schmerzhafter als das Eingeständnis der eigenen Schwäche, unserer unstillbaren Sehnsucht nach Liebe nachgegeben zu haben.
Cesare blieb für mehrere Monate in Rom. Wir setzten unsere Beziehung fort, aber es war nicht wie früher. Die Gefühle waren schärfer, intensiver, lustvoller, wie Cioccolata mit rotem Chili-Pfeffer, und wir hatten viel Spaß miteinander, wenn wir nicht gerade miteinander stritten. Wir stritten ebenso oft, wie wir uns anschließend wieder versöhnten. Wir rieben uns derart aneinander, dass mehr als einmal die Funken flogen, und streichelten und küssten anschließend gegenseitig die tiefen Wunden, die unsere Worte gerissen hatten.
Wenn die Liebe zur Leidenschaft geworden ist und man erkennt, dass man nicht mehr voneinander lassen kann, weil der Schmerz unverzichtbar wird, um das Leben in sich zu
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