Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)
Unglaublicher. Ich warf Giuliano ein entschuldigendes Lächeln zu, das so viel besagte wie: »Sei tapfer, mein Ritter. Ich rette dich später«, nahm mir einen Becher vom Tablett und schlenderte hinüber zu Lucrezia und Alfonso.
»Salve, Pompeius!«, begrüßte ich Alfonso, der mich auf die Wange küsste. »Du bist mutig, auf Caesars Empfang die Maske seines Feindes zu tragen.«
Alfonso grinste frech. »Welche Maske hätte ich sonst tragen sollen: die des Brutus, die des Cassius, oder hätte ich mich als Cato verkleiden sollen? Sie alle waren Gegner Caesars, die seine Macht fürchteten. Auch mein lieber Schwager hat ein unvergleichliches Talent, sich Feinde zu machen.« Mit einem übertrieben demütigen Lächeln prostete er Cesare zu, der am anderen Ende des Saals Hof hielt, und trank seinen Becher in einem Zug leer.
Er schwankte leicht, und ich stützte ihn. »Was ist mit dir, Alfonso: Bist du betrunken?«, fragte ich.
»Nur von deiner Schönheit, Kleopatra«, grinste er übermütig. »Hat dir heute schon irgendjemand zu Füßen gelegen und den Boden geküsst, auf dem du wandelst, o Königin?«
»Nein, Alfonso«, antwortete ich ärgerlich. Wie konnte er sich so gehen lassen! Er war wütend über Cesares triumphale Rückkehr aus der Romagna, aber war das ein Grund, sich derart zu betrinken?
»Nicht einmal der Herr über Leben und Tod, der allmächtige Caesar?«, fragte er nach und deutete mit einer fahrigen Geste auf seinen Schwager, der irritiert zu uns herüberstarrte.
»Nein, Alfonso. Ich habe Cesare noch nicht gesprochen, seit er wieder in Rom ist. Mio caro, wie wäre es, wenn Lucrezia und ich dich jetzt nach Hause bringen?«
»Fliehen, vor Caesar? Niemals!«, begehrte er auf. »Dieser verdammte …«
Lucrezia verdrehte die Augen, als Cesare neben uns auftauchte und seine Schwester auf die Wange küsste. »Welches Komplott gegen Caesar wird hier geschmiedet? Ihr seht aus, als wäret ihr euch noch nicht einig, wer von euch den ersten Dolchstoß führt.«
Alfonso funkelte Cesare wütend an. Lucrezia legte ihm beruhigend die Hand auf den Arm, um ihn von einer zornigen Entgegnung abzuhalten. Ihrem Bruder entging das nicht.
Mit einem unverschämten Grinsen wandte er sich an mich. »Würdest du mich anhören, bevor du dich mit meinen Feinden verbündest?«, flüsterte er so laut, dass Lucrezia und Alfonso ihn verstehen konnten. Dann packte er mich am Arm und zog mich unerbittlich mit sich fort.
Rodrigo starrte uns mit einem besorgten Stirnrunzeln hinterher.
Wir betraten das päpstliche Arbeitszimmer. Cesare schloss die Tür hinter sich und lehnte sich dagegen, sodass ich ihm nicht entkommen konnte. Seine Rüstung mit dem roten Samtmantel und den gestickten Lorbeerblättern auf der Tunika schimmerte im goldenen Licht der Abenddämmerung.
»Was soll das, Caterina? Ist das eine Verschwörung, um mir den Abend zu verderben?« Seine Fröhlichkeit war gespielt. Er war angespannt, gereizt, misstrauisch, trotz seines Triumphes. Hatte er Angst? Angst zu stürzen und alles wieder zu verlieren, was er erreicht hatte? Angst vor der Einsamkeit des Mächtigen? War ihm an diesem Abend bewusst geworden, wie viele Bewunderer er hatte, die ihm genau das erzählten, was er hören wollte, und wie wenige Freunde, die ihm offen und ehrlich die Wahrheit sagten?
»Ich weiß wirklich nicht, was du von mir erwartest, mein Gebieter«, verhöhnte ich ihn. »Reicht es dir nicht, wenn ich schweige und deine Eskapaden mit Caterina Sforza nicht kommentiere? Ihr hattet ja offenbar viel Spaß miteinander, nicht nur während der Belagerung von Forli, sondern auch hinterher in deinem Bett. Der französische Botschafter bemerkte vorhin, Caterina Sforza habe eine Schwäche für jüngere Liebhaber. Und mit dir in ihrem Bett könnte sie sich endlich nach Herzenslust austoben. Er schwieg und errötete, als er sich besann, wer ich bin … war .«
»Ja, sie hat mit mir geschlafen«, gestand er. »Aber nicht, weil ich sie gezwungen hätte. Sie war der Meinung, sie könnte mich verführen und beherrschen.«
»Welch ein Irrsinn, dich beherrschen zu wollen«, höhnte ich.
Er schwieg und beobachtete mich von der Tür aus.
»Und welch eine irrige Vorstellung von dir, mich mit dieser Affäre demütigen zu können. Ganz Italien weiß, was ihr zwei in deinem Feldlager getrieben habt. Selbst dein Vater, der dir sonst liebevoll jede deiner Eskapaden nachsieht, war völlig außer sich. Wenn du einen der wenigen Freunde, die du noch hast, auch noch
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