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Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)

Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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Kerkerhaft mit mir selbst zu verurteilen, um mich mit Selbstzweifeln zu foltern. Lucrezia bestand darauf, mich gesund zu pflegen, aber sie wusste ja nicht, woran ich litt. Wie auch? Gegen das, was mich quälte, gab es keine Medizin.
    Am Abend des fünften Tages nach Guidos überstürzter Abreise kam sie mit einem päpstlichen Breve in der Hand in mein Schlafzimmer. Sie war zutiefst besorgt. Und so fürchtete ich zuerst, Guidos Anwesenheit in Nepi sei entdeckt und Rodrigo gemeldet worden. Oder war Guido gefangen genommen und nach Rom in die Engelsburg gebracht worden? Ich hatte Lucrezia trotz unserer innigen Freundschaft nicht gestanden, dass er mich in Nepi besucht hatte. War sie deshalb so verstimmt?
    Lucrezia ließ sich in den Sessel vor dem Kaminfeuer fallen und hob das Pergament mit einer ganzen Girlande von Siegeln der päpstlichen Kanzlei. »Seine Heiligkeit befiehlt«, sagte sie. »So beginnt dieses Breve.«
    »So beginnt üblicherweise ein päpstliches Breve«, erinnerte ich sie. Zum Teufel mit den Formalien: Was stand in diesem Brief?
    »Ich hätte erwartet, dass mein Heiliger Vater mir selbst schreibt. Aber nein, er lässt einen päpstlichen Befehl verfassen.«
    »Nur um sicherzugehen, dass du gehorchst. Verrätst du mir, wie wir Seine Heiligkeit glücklich machen können?«, fragte ich.
    Lucrezia war sehr ernst. Hatte sie Angst? Als sie nicht gleich antwortete, nahm ich ihr das Breve aus der Hand und überflog den Text mit dem Apostolischen Segen und lateinischen Formulierungen, die Cicero zur Verzweiflung gebracht hätten. Mich auch. Es war allerdings weniger die Grammatik als der Inhalt, der mich entsetzte:
    »Seine Heiligkeit befiehlt die sofortige Rückkehr nach Rom.«

Kapitel 14
Wenn ich alle Geheimnisse wüsste und die Liebe nicht hätte, dann wäre ich nichts
    S töhnend vor Schmerz sank ich zurück in die Kissen. Nicolaus hatte seine Untersuchung abgeschlossen und erhob sich von meinem Bett. Still, fast traurig. Meinem Blick wich er aus. Aber ich wusste auch so, was er mir sagen würde. Ich spürte es. In jedem Knochen, jedem Muskel, jedem Gelenk meines Körpers.
    »Nicolaus? Hast du die weite Reise von Padua nach Rom gemacht, um mich jetzt anzuschweigen? Ich weiß, dass ich bald sterben werde, also sag mir die Wahrheit: Wann? «
    Traurig sah er mich an: »In sechs Monaten, vielleicht früher.«
    Ich schloss die Augen. Das war es also. Sechs Monate. Vielleicht weniger. Den Frühling würde ich in Ferrara verbringen, den Sommer in Rom. Sollte ich vor meiner Abreise nach Ferrara festlegen, wo ich begraben werden wollte? Da musste ich nicht lange überlegen: Das antike Pantheon war wohl ein angemessener Ort. Rodrigo würde mir ein Grab im Pantheon nicht verwehren, wenn ich ihn darum bat. Eine schöne Idee, im Tempel der antiken Götter begraben zu sein, die im Lauf der Jahrhunderte zu den Prinzipien der Alchemie geworden sind: Mars und Venus, Merkur und Saturn, die Prinzipien der Zerstörung und der Neuerschaffung. Ein würdiger Ort für meine letzte Ruhe. Ruhe! Wie sehnte ich mich danach, dem Wirbelwind aus Fragen und Antworten zu entkommen, die immer neue Fragen nach sich zogen! Wie sehr vermisste ich die innere Windstille, die Freiheit von meinen unerträglichen Schmerzen, die mich seit Wochen ans Bett fesselten und die mir fast den Verstand raubten.
    Seit meiner Rückkehr aus der Verbannung in der Burg von Nepi vor einem Jahr war mein Zustand von Tag zu Tag schlechter geworden. Der Winter in Rom war ungewöhnlich kalt gewesen, und das stundenlange Tingieren mit Rodrigo im Laboratorium nicht gerade Balsam für meine schmerzenden Glieder. Dann, im letzten Sommer, mein dramatischer Zusammenbruch in der Sixtina, als Rodrigo während der Missa solemnis am Altar die Wandlung durchführte. Ein wirklich passender Augenblick für einen derartigen Anfall! Wenn Cesare mich nicht aufgefangen hätte, wäre ich einfach umgefallen. Seitdem kamen die Schmerzattacken der Gicht mehr oder weniger regelmäßig, obwohl ich schon seit Monaten nur vegetarische Speisen zu mir nahm und den Wein mied wie Satan das Weihwasser. Es nützte nichts. Ich war zur Marmorstatue meiner selbst erstarrt. Der Schmerz fraß sich durch meinen Körper, jeden Tag nahm er sich ein Stückchen mehr von mir. Irgendwann würde er das Herz erreichen – das wäre der Moment …
    »Schläfst du, Caterina?«, fragte Nicolaus besorgt.
    »Nein, ich gewöhne mich schon einmal an die Finsternis der Hölle«, murmelte ich mit geschlossenen Augen.
    …

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