Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)
seelischen oder spirituellen Bereich repräsentiert.«
Venus in Konjunktion mit sich selbst?, dachte ich überrascht. Coniunctio. Das Ende des Weges …
»Und was heißt das in normal verständlichem Latein?«, fragte ich.
»Liebe, sehr viel Liebe, unglaublich viel Liebe«, sagte Nicolaus.
»Du glaubst, dass ich mich in Ferrara verlieben werde?«, fragte ich verwirrt. »In wen?«
»Das steht nicht in den Sternen, Caterina. Das entscheidest allein du. Die Sterne sagen dir nur, wann etwas möglich sein wird.«
»Nicolaus, wie viel ist ›unglaublich viel Liebe‹? Wird es für ein paar Wochen Glück reichen?«
»Wenn ich alle Aspekte zur Venus berücksichtige, einen sanften und zurückhaltenden Mars und einen völlig verwirrten Saturn, dann würde ich behaupten, dass du den Mann triffst, mit dem du den Rest deines Lebens verbringen willst. Allerdings …« Er zögerte. »Ich weiß nicht, wie lange du glücklich sein wirst. Im Juni gibt es einen sehr schlechten Aspekt, der …«
»Ja?«, drängte ich ihn. »Der was?«
»Jemand, der dir sehr nahe steht, wird sterben. Oder du selbst.«
Ich seufzte. »Im Juni. Das sind noch sechs Monate.«
»Es tut mir Leid, Caterina … Das Schicksal ist grausam. Ich hätte dir dieses furchtbare Wissen gern erspart …«
»Aber wieso? So weiß ich doch wenigstens, wie viel Zeit mir noch bleibt, um zu vollenden, was ich begonnen habe …«
Cesare war leise eingetreten. Als ich sein ernstes Gesicht sah, fragte ich mich, wie lange er unserem Gespräch zugehört hatte. Unter dem Arm trug er eine lackierte Kassette aus Walnussholz mit einem sehr schönen Messingschloss, die er auf das Bett stellte.
Nicolaus sprang auf und verneigte sich vor dem Herzog. »Euer Gnaden!«, flüsterte er.
»Würdet Ihr Madonna Caterina und mich für einen Augenblick allein lassen, Doktor …«
»Copernicus«, stellte sich Nicolaus selbst vor. »Ich bin Kanonikus in Frauenburg, Euer Magnifizenz. Ich bin der Neffe des Bischofs von Ermland und …«
»… der Mann, der behauptet, dass sich die Erde um die Sonne dreht. Caterina hat mir davon berichtet. Sehr beeindruckend! Geradezu revolutionär. Wir sollten uns darüber in Ruhe unterhalten …« Mit einem Wink scheuchte Cesare Nicolaus aus dem Raum.
Der nickte verlegen und zog sich zurück, während ich das Horoskop unauffällig unter meiner Decke verschwinden ließ.
Cesare setzte sich zu mir auf das Bett und nahm meine Hand. »Wie geht es dir heute?«
»Ich will dich nicht mit meiner Leidensgeschichte langweilen.«
»Ich bin gekommen, um mich von dir zu verabschieden und um einen letzten heroischen Versuch zu unternehmen, dich von diesem Wahnsinn abzuhalten.«
»Lass es, Cesare.«
»Ich könnte dir bei Strafe der Exkommunikation verbieten, Rom zu verlassen.«
»Was hast du davon, außer Scherereien? Bis das Verfahren eingeleitet ist, bin ich tot. Im Fegefeuer bin ich schon, und in die Hölle komme ich sowieso. Bemühe dich also nicht!«
Er schwieg eine Weile. »Ich wollte dir sagen, dass ich mich entschlossen habe, Lucrezias Hochzeitszug morgen das Ehrengeleit zu geben. Kardinal Ippolito d’Este und ich werden euch einige Meilen begleiten und dann nach Rom zurückkehren. Wir werden morgen Mittag also nur wenig Zeit haben, um uns voneinander zu verabschieden.« Er sah mich traurig an. »In wenigen Wochen werde ich mit meinem Heer in die Romagna zurückkehren. Die Eroberungen sind abgeschlossen, und ich werde einige Monate in Cesena bleiben, um dem Herzogtum eine ordentliche Regierung zu geben und mit Leonardo da Vinci als meinem Militäringenieur die Festungen zu inspizieren, bevor ich im Sommer wieder aufbreche. Dorotea und Girolamo werden mich begleiten …«
Cesare hatte Dorotea Caracciolo, die junge Frau eines venezianischen Offiziers, ein Jahr zuvor beim Karneval in Urbino kennen gelernt. Wenige Wochen später hatte er sie entführen und in sein Feldlager in der Romagna bringen lassen. Die Affäre der beiden hatte fast zu einem diplomatischen Konflikt zwischen Venedig und Rom geführt. Maximilian von Habsburg hatte Tränen gelacht, König Louis mehr oder weniger amüsiert gegen die Entführung protestiert, König Fernando hatte über die Umgangsformen der Borgia geschimpft, und selbst Rodrigo hatte getobt, als er von der Aufsehen erregenden Affäre erfuhr. Im letzten November hatte Dorotea Cesare einen Sohn geschenkt, Girolamo – seinen Erben.
Cesare war ganz vernarrt in seinen Sohn. Er trug den kleinen Girolamo auf dem Arm durch den
Weitere Kostenlose Bücher