Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)
umschlungen unseren eigenartigen Tanz ohne Schrittfolge und ohne Musik fortsetzten. »Wie denkst du über einen geordneten Rückzug? Wir könnten das Schlachtfeld gemeinsam verlassen …«, flüsterte er.
Ich lachte an seiner Schulter. »Wohin willst du entfliehen?«
»Dorthin, wo ich dir keinen Widerstand mehr leisten kann.«
»Ich nehme deine bedingungslose Kapitulation an«, erklärte ich großzügig unsere Auseinandersetzung für beendet.
Cesare und ich prallten aufeinander wie ein Gewittersturm, in dem sich die Spannungen mit Blitz und Donner entluden. Das Verlangen raubte mir fast den Verstand.
Keuchend rangen wir miteinander um jeden Funken Lust, an dem wir uns entzünden konnten, um jedes bisschen Gefühl, das uns bewies, dass wir noch am Leben waren. Wir wirbelten uns herum, küssend, lachend, atemlos, wanden unsere schweißnassen Körper umeinander, unsere Glieder miteinander verwoben, zitternd, bebend, seufzend im Rausch der Lust, wir streichelten uns, zärtlich, liebevoll, mit Händen und Lippen und Haaren, mit unserer glühenden Haut, wir flüsterten, hauchten Versprechungen, seufzten, stöhnten vor Wollust, rieben uns aneinander, sinnlich, wild, unbezähmbar, trieben uns gegenseitig in die Ekstase, drangen tief in die Gefühle des anderen ein, liebten uns lachend, weinend, wussten nicht mehr, wessen Tränen wir küssten, die eigenen oder die des anderen, weinten vor Enttäuschung, vor Einsamkeit, vor Glückseligkeit, stiegen immer höher hinauf, und noch höher, ungeduldig, fordernd, gierig. Lebendig! Und ohne die lähmende Angst, nie mehr lieben zu können und nie mehr geliebt zu werden.
Wie berauscht ich von ihm war! Immer höher stiegen wir hinauf in die himmlischen Sphären, wo Liebe und Hass aufhören und zur Ekstase werden. Dann ließ ich mich fallen, ohne das Gefühl zu haben, abzustürzen, ins Bodenlose zu fallen, in den Abgrund. Denn er fing mich auf, hielt mich fest, ließ mich nicht mehr los.
Eine Weile lagen wir so, unfähig, uns voneinander zu trennen. Zu intensiv waren die Gefühle, die uns verbanden.
»Halt mich fest!«, seufzte ich.
»Früher hast du es gehasst, wenn ich dich festgehalten habe«, flüsterte er und presste mich an sich.
Eng umschlungen lagen wir eine Weile, dann rollte ich mich von ihm herunter in die Kissen und zog die Decke über uns.
»Caterina?«, fragte er nach einer Weile.
»Mhm«, murmelte ich erschöpft, das Gesicht im Kissen vergraben.
Er strich mir das zerwühlte Haar aus dem Gesicht. »Bitte verstehe mich nicht falsch, aber ich würde gern wissen, warum du es getan hast. Warum bist du zu mir zurückgekehrt?« Er küsste mich zart.
Seufzend drehte ich mich um. »Warum, willst du wissen? Weil ich mich selbst zum Egoismus bekehrt habe. Ich friere vor Einsamkeit: Guido ist in Venedig im Exil, und meine Familie hatte sich monatelang von mir abgewandt und war nicht für mich da, als ich sie am dringendsten gebraucht habe. So hatte ich in den letzten Monaten viel Zeit zum Nachdenken, was ich mit dem Rest meines Lebens anfangen will.
In den letzten Monaten habe ich mein Leben zu Ende gedacht. Ist das nicht furchtbar? Wenn alles schon festgelegt ist, wenn es keine Überraschungen mehr gibt, keine unerwarteten Freuden, keine wirklich wichtigen Entscheidungen, die wieder alles infrage stellen, wovon du geträumt hast. Wenn es nur noch Stillstand gibt, nur noch ein ängstliches Starren auf das Ende, die Stunde deines Todes, die Besorgnis um deine Würde im Sterben, und wenn die Gedanken beginnen, sich zu wiederholen, immer und immer wieder. Das ist der Anfang vom Ende. Wenn du dieses Stadium erreicht hast, kannst du es eigentlich gleich selbst zu Ende bringen.«
»O mein Gott!«, seufzte er betroffen und strich mir liebevoll über das Gesicht. »Was hast du alles ertragen in den letzten Monaten!«
»Glück macht süchtig, Cesare: nach immer mehr Glück. Es ist wie beim Aurum – am Ende kommt man nicht mehr davon los. Man will die Augenblicke des vollkommenen Glücks immer wiederholen, wie die Phasen der Schmerzfreiheit im Rausch des Aurum, aber Glück lässt sich nicht wiederholen. Du kannst es nur immer neu erschaffen, mit einem anderen Menschen. Ich war unglaublich glücklich in Urbino – wie kann ich das vergessen oder diesen Zustand nicht immer wieder erleben oder neu erschaffen wollen?« Seufzend räkelte ich mich in die Kissen. Dann sprach ich leise weiter:
»Ich sehne mich nach Liebe, nach Glück, nach Freude. Das ist doch das Wichtigste im
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