Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)
dem besten Weg waren, die französische Besatzung aus Neapel zu vertreiben. Er wusste, dass er Louis’ Wunsch nach der Krone von Neapel noch einmal zu seinem Vorteil ausnutzen konnte. Als Bannerträger der Kirche, mit dem größten Heer Italiens unter seinem Kommando, mit dem Papst hinter sich, der ihm jedes gewünschte Breve unterschrieb, hatte Cesare den Zenit seiner Macht erreicht. Louis brauchte Cesare, wenn er durch Italien marschieren wollte.
In den ersten beiden Juliwochen schickte Cesare die ersten Truppenkontingente nach Perugia, das strategisch günstig an der Grenze der Toskana lag. Louis schwieg. Anders als Niccolò Machiavelli, denn in Florenz brach die Panik aus.
Ende Juli war Cesare immer noch in Rom, und niemand wusste, was er tun würde. Er war gereizt, wartete auf etwas. Die Spanier hatten ihm Unterstützung gegen Louis in der Toskana versprochen, aber die traf nicht ein. Die Tage vergingen, und seine Stimmung wurde immer unbeherrschter. Sollte er nach Norden reiten und sich mit Louis aussöhnen, der ihn als seinen Gefolgsmann zwingen würde, ihn nach Neapel zu begleiten? Oder sollte er nach Süden reiten, um den Spaniern zu helfen, die Franzosen zu vertreiben – damit würde er einen offenen Bruch mit Louis riskieren!
Am 5. August traf in Rom die bestürzende Meldung ein, dass die Franzosen mit einem gewaltigen Heer von Mailand aus auf dem Marsch in Richtung Rom waren. Louis zwang Cesare zum Handeln …
… und noch jemand anderen …
»Stell dir vor, geliebte Caterina, heute wäre der letzte Tag deines Lebens. Was würdest du tun, bevor wir dich mitnehmen?«, fragte mich Giovanni. Er saß auf meinem Bett und strich mir sanft das wirre, schweißnasse Haar aus dem Gesicht. Seine zärtlichen Berührungen taten mir unendlich gut.
»Nichts, Giovanni«, antwortete ich. »Ich habe alles getan. Nehmt mich bitte mit!«
»Noch nicht, Caterina«, sagte Lorenzo ernst, der auf der anderen Seite des Bettes saß. Ich sah ihn genauso deutlich vor mir wie Giovanni, wie Angelo, der am Fenster lehnte und mich schweigend beobachtete, wie Girolamo, der mich vom Fußende des Bettes aus mit einem derart unglücklichen Gesicht ansah, als sollte er mir gleich die Sterbesakramente erteilen.
»Du hast dein Leben noch nicht zu Ende gelebt«, sagte Lorenzo sanft. »Noch hast du die Wahl, was du tun willst. Giovanni hat vor Jahren gesagt: Es steht dem Menschen frei, sich durch seinen eigenen Willen zu Gott zu erheben. Und ich sage dir: Es steht dem Menschen ebenso frei, sich selbst zu zerstören. Wähle!«
Giovanni beugte sich über mich: »Wenn dies also dein letzter Tag wäre«, flüsterte er. »Was würdest du tun …?«
»Eure Exzellenz?«, riss mich einer meiner Kammerdiener leise flüsternd aus meiner Vision.
Ich schreckte aus meinem Dämmerzustand zwischen Schlafen und Wachen und öffnete verwirrt die Augen. Die Traumbilder von Lorenzo und Giovanni waren verschwunden. Noch spürte ich Giovannis zärtlichen Kuss auf meinen Lippen, die Berührung seiner Hände auf der Haut, atmete den Duft seines Haares …
Ich holte tief Luft. »Was ist?«, seufzte ich und zog, noch ganz benommen, die dünne Seidendecke über meine nackten Brüste. Ich war schweißnass vor Fieber.
»Seine Eminenz, Kardinal de’ Medici wartet. Er wünscht, mit Euch zu sprechen, Exzellenz«, erklärte mir der Diener.
Stöhnend vergrub ich mein Gesicht in den Kissen. Gianni! Was wollte er denn? Warum ließ er mich nicht in Ruhe? Er wusste doch, wie es mir ging. Beunruhigt wegen des französischen Vormarsches hatte er mich an diesem Morgen nach der Konsistoriumssitzung besucht, und wir waren im Garten spazieren gegangen. Er war doch dabei gewesen, als ich eine Dosis ha-Our genommen hatte, weil ich die Schmerzen nicht mehr ertrug und den Rückweg zum Palazzo aus eigener Kraft nicht mehr schaffen konnte. Er hatte mich doch selbst ins Bett gebracht. Er kannte doch die Nebenwirkungen … dass ich für Stunden nicht ansprechbar sein würde … dass ich Ruhe brauchte … schlafen wollte … Wahrscheinlich machte Gianni sich Sorgen und wollte nach mir sehen, weil Cesare an diesem Abend nicht da war.
»Ich werde Seine Eminenz empfangen«, beschloss ich. »Bitte lass ihn herein.«
Der Diener verneigte sich und öffnete die Schlafzimmertür, damit Gianni eintreten konnte.
Mein Bruder stürmte in mein Schlafzimmer, scheuchte den Diener ungeduldig hinaus und schloss die Tür, um sich einen Augenblick dagegenzulehnen und mich zu betrachten.
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