Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)
Wahrscheinlich wollte er nur hören, ob der Diener auf der anderen Seite der Tür lauschte. Dann kam er zu mir herüber, setzte sich auf den Rand des Bettes und nahm meine Hand. »Wie geht es dir?«, fragte er besorgt.
»Fantastisch«, lächelte ich verbissen und setzte mich auf.
Gianni klopfte ein Kissen zurecht und stopfte es mir hinter den Rücken. »Wenn es dir so gut geht, warum hast du Cesare dann heute Abend nicht zu dem Bankett bei Adriano begleitet?«
An diesem Abend gab Kardinal Adriano da Corneto, der ehemalige päpstliche Sekretär, im Garten seiner prächtigen Villa ein Bankett für den Papst, den Herzog der Romagna und einige ausgewählte Vertraute und Freunde. Cesare hatte mich gebeten, ihn zu begleiten, um auf andere Gedanken zu kommen, aber ich hatte abgelehnt. Die schwüle Augusthitze machte mir zu schaffen, ich hatte Fieber, war todmüde und wollte schlafen …
Gianni wartete meine Antwort gar nicht erst ab: »Komm mit mir und amüsiere dich bei Adriano. Die Ablenkung wird dir gut tun. Die Gäste sind gute Freunde von dir, und die meisten von ihnen haben heute Abend die höfische Etikette zu Hause vergessen. Keine Spur von Zeremoniell, obwohl Seine Heiligkeit anwesend ist! Tu dir selbst einen Gefallen und komm mit! Du könntest ein wenig mit Agostino Chigi flirten, ein bisschen mit Ippolito d’Este herumstreiten, dich amüsieren … Es ist ein schönes Fest mit fröhlicher Musik und Tanz …«
»Ich kann nicht tanzen«, murmelte ich.
»Unsinn! Ich weiß, dass du über einen erstaunlichen Willen verfügst, Caterina. Du willst nicht, das ist alles. Und ich will nicht, dass du heute Abend hier ganz allein in deinem Bett liegst.«
»Allein – das bin ich mein halbes Leben gewesen, Gianni. Diese eine Nacht werde ich wohl auch noch überleben!«
»Überleben …?« , hauchte er erschrocken. Im Schein der Kerze auf meinem Nachttisch sah ich, wie er blass wurde, als er mich anstarrte. Was hatte er plötzlich? Was hatte ich denn gesagt …?
Wieso drängte mich Gianni, ihn zu diesem Bankett zu begleiten? Weshalb war er noch während des Essens auf sein Pferd gestiegen und von Adrianos Villa zum Vatikan herübergeritten, als er erkannte, dass Cesare ohne mich gekommen war?
Ich verstand nicht, warum er wollte, dass ich auf Adrianos Feier das hervorragende Mahl genoss, den eisgekühlten Wein trank, mich mit seinen hochrangigen Gästen amüsierte – Kardinäle, Monsignori, Botschafter – und so schickte ich ihn wieder weg.
Und ich verstand es nicht einmal, als Rodrigo und Cesare in den frühen Morgenstunden krank in den Vatikan zurückkehrten. Beide hatten die erschreckenden Symptome einer Vergiftung mit Cantarella. Sie mussten sich immer wieder übergeben und lagen trotz der Sommerhitze zitternd und frierend und mit hohem Fieber im Bett. Am späten Nachmittag wurde Rodrigo ohnmächtig.
Was war während des Banketts in Adrianos Villa geschehen? Hatte der Kardinal Rodrigo und Cesare vergiftet? Adriano war wegen Cesares bevorstehendem Feldzug in der Toskana zutiefst beunruhigt, denn er fürchtete, wie Kardinal Giovanni Michiel, der im April überraschend gestorben war, und wie mein Cousin Gian Battista Orsini von Rodrigo vergiftet zu werden.
Wenn Adriano starb, würde auch sein immenses Vermögen – immerhin fast hundertfünfzigtausend Dukaten –, wie zuvor Kardinal Michiels und Kardinal Orsinis gesamter Besitz, an die Kirche fallen und Cesares Feldzug finanzieren. Adriano war in den letzten Wochen seit seiner Investitur Ende Mai immer wieder in Todesangst gewesen, wenn er über Magenbeschwerden klagte. Auf die Idee, dass seine Magenkrämpfe vielleicht von der Angst herrührten und nicht umgekehrt, kam er offensichtlich nicht! Die neun neuen Kardinäle waren von Cesare ausgewählt worden, der auch die zu zahlenden Summen – in Adrianos Fall mehr als zwanzigtausend Dukaten – festgesetzt hatte und die Kardinäle nach ihrer feierlichen Investitur zu einem aufwändigen Bankett in seine Räume einlud. Einige Male hatte ich mich mit Adriano unterhalten, als wir im Heckenlabyrinth des Belvedere spazieren gingen, und er hatte mir seine Furcht gestanden. Offenbar vertraute er mir immer noch. Aber warum?
Und was hat Gianni damit zu tun?, fragte ich mich. Ich dachte an die Verschwörung der Medici, Orsini und della Rovere, Rodrigo zu ermorden. Hatten sie ihre Mordpläne gegen Rodrigo doch nicht aufgegeben? Aber warum, zum Teufel, sollte ich an Cesares Seite an diesem Bankett teilnehmen? Sollte auch ich
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