Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)
Feier des Tages an einem Pferderennen teilnehmen, wie es in Siena üblich war, oder an einem Wettlauf durch die Straßen der Stadt, wie in Rom. Kein Florentiner Bürger, der dem Gebot des fare una bella figura huldigte, hätte sich in der Öffentlichkeit derart nachlässig gekleidet gezeigt.
Kreischende Möwen, die schwerelos in der leichten Brise über dem Arno schwebten, und der unverkennbare Geruch nach Algen und Meer wiesen uns den Weg zum Hafen.
Ein Dutzend Schiffe drängte sich am Quai: Spanische Galeonen, Koggen der Hanse, französische Karavellen, türkische Dhaus, Boote, die ihre Ladung löschten, Barken, die beladen wurden, und Schiffe, die gerade ihre Leinen losgemacht hatten, um in See zu stechen. Wie sollte ich in diesem Durcheinander aus schwankenden Masten, geblähten Segeln und im Wind flatternden Flaggen Amerigo finden? In der Hafenmeisterei verlor ich kostbare Minuten, als ich mich nach dem Schiff nach Sevilla erkundigte. Doch schließlich nannte man mir den Liegeplatz der spanischen Galeone ganz am Ende des Quais.
Ich war zu spät gekommen! Amerigos Schiff hatte schon die Leinen losgemacht und von der Hafenmole abgelegt! Ein paar Jungen in einem Ruderboot am Bug des Schiffes drehten die Galeone langsam in Richtung Meer – bis die Segel sich im Wind blähten.
»Amerigo!«, rief ich, »Amerigo Vespucci!«, und sprang aus dem Sattel.
Gelächter brandete mir entgegen. Einige Matrosen lehnten sich über die Reling und starrten neugierig zu mir herüber. Ihre anzüglichen Bemerkungen und die Handküsse, die sie mir zuwarfen, ignorierte ich. Ich holte Toscanellis Buch aus der Satteltasche. Ich hatte es vorsorglich in ein Stück Leder gewickelt und fest verschnürt, damit es während der Überfahrt nach Spanien keinen Schaden nahm.
Endlich erschien Amerigo an Deck. Einer der Matrosen hatte ihn gerufen. Überrascht lehnte er sich über die Reling. »Caterina! Was tust du denn hier?«
»Du hast etwas vergessen, Amerigo.« Ich hob das Päckchen mit dem Buch hoch, damit er es sehen konnte. »Das ist das Imago Mundi mit Toscanellis Karten. Du wirst sie brauchen. Wie willst du sonst vom Ende der Welt zurückfinden?«
Die Entfernung zwischen uns betrug nun mehr als zehn Schritte und vergrößerte sich ständig.
»Das Schiff hat abgelegt«, erinnerte mich Amerigo.
Zwölf Schritte. Mit all meiner Kraft warf ich ihm den Folianten zu und betete, er möge nicht im Hafenbecken landen.
Mit einem dumpfen Schlag rutschte das Buch über das Deck der Galeone. Amerigo hob es auf, presste es an seine Brust und kam zurück zur Reling. »Ich danke dir«, rief er herüber, und dann auf Spanisch: »¡Vaya con Dios! «
»Gott beschütze dich, Amerigo! Und vergiss nicht, mir zu schreiben!« Tränen liefen über meine Wangen.
Weinte ich oder stach mir die frische Brise vom Meer in die Augen? Ich hockte mich auf ein zusammengerolltes Tau auf der Hafenmole und sah ihm nach. Er stand winkend an der Reling der Galeone, bis das Schiff die Hafeneinfahrt erreicht hatte, bis die Segel den Wind einfingen, bis die Wellen des Meeres gegen den Bug drückten. Dann wandte er sich um und blickte nach Westen. Nach Spanien … und China.
Die Bewaffneten eskortierten mich zurück in die Stadt. Wir ritten am Arno entlang, vorbei an der kleinen Kirche Santa Maria della Spina, überquerten den Fluss über den Ponte della Citadella und ritten an der Universität vorbei zum Palazzo Medici.
Lorenzos Haus in Pisa war nicht so großartig wie der Palazzo in der Via Larga, aber es war doch eines der größten und eindrucksvollsten Häuser der Stadt. Die Prachtfassade spiegelte sich im gemächlich dahinfließenden Arno. Mit einem Wort: Der Palazzo war eine angemessene Residenz für Kardinal Giovanni de’ Medici, den Sohn des Magnifico.
Wir wurden erwartet. Der Majordomus eilte die breite Treppe hinunter, als wir in den Hof ritten. Er wollte mir vom Pferd helfen, doch ich sprang aus dem Sattel, bevor er die Zügel ergreifen konnte. Stirnrunzelnd stellte er fest, dass ich ohne Damensattel ritt.
»Ich bin Giorgio. Ich habe die Ehre, den Haushalt dieses Palazzo zu führen«, stellte er sich vor, als ich ungeduldig Thomas von Aquinos Summa Theologica aus der Satteltasche zerrte. »Ich habe Euch erwartet, Madonna Caterina! Es ist alles vorbereitet. Ich werde Euch Eure Räume zeigen, denn Ihr wollt sicher ein wenig ausruhen nach dem anstrengenden Ritt. Der Wagen mit dem Gepäck wird allerdings nicht vor Sonnenuntergang eintreffen …«
»Ich bin
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