Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)
aus einem vergeblichen Hoffen wurde Gewissheit.
In den vergangenen Wochen hatten Giovanni und ich die Prima Materia durch die Solutio transmutiert. Der Blütenduft war längst verflogen, und die Substanz erinnerte weder in Form noch Farbe an Rosenblüten. Die entstandene Tinktur stank entsetzlich nach Tod und Verwesung, so sehr, dass nicht einmal das ägyptische Parfum, das die Tempelpriester des Anubis vor dem Gestank der Mumien geschützt hatte, diesen aufdringlichen Geruch überdecken konnte. Giovanni schien es nichts auszumachen, aber ich musste mehrmals in den Garten flüchten, um mich zu übergeben.
Und die schwarze Pestmaske mit duftenden Kräutern im ledernen Schnabel, mit der sich ein Medicus gegen die gefährliche Infektion schützte, verschlimmerte alles nur noch: Ich rang nach Atem, mir wurde schwindelig, und ich brach zusammen.
Giovanni brachte mich an diesem Abend besorgt nach Hause.
»Ruhe dich ein paar Tage aus, Caterina! Du hast zu viel getan in den letzten Wochen. Lass dich von Angelo verwöhnen. Er liest dir sicher gern ein paar seiner Gedichte vor, während du im Bett liegst. Vergiss die Bücher in der Bibliothek! Das Johannes-Evangelium wird auch nächste Woche nicht zu Staub zerfallen sein. Und wenn du dich besser fühlst, dann komm zu mir zurück«, sagte Giovanni in einem Tonfall, dem ich nicht zu widersprechen wagte. Selbst wenn ich es gekonnt hätte.
Am nächsten Tag wurde es noch schlimmer! Beunruhigt stellte ich fest, dass ich mich auch übergab, wenn ich den Gerüchen im Laboratorium gar nicht ausgesetzt war. Eine furchtbare Ahnung stieg in mir auf. Ich begann zu rechnen. Nein, es konnte nicht sein! Es durfte nicht sein! Ich fragte Ginevra nach den Symptomen, die ihr nicht entgangen waren, und sie bestätigte mir meinen Verdacht:
Ich war schwanger …
… und verzweifelt.
Zu Angelos Erstaunen entwickelte ich in den nächsten Tagen ein großes Interesse an medizinischen Lehrbüchern von Albertus Magnus und Abu Ali Ibn Sina, Galenos und Hippokrates. Sie alle hatten die unterschiedlichsten Theorien, wie das neue Leben im Akt der Liebe entstand, wie es seine Seele empfing, wann es denken und fühlen konnte, aber sie hatten alle überhaupt keine praktischen Ratschläge, wie man es wieder … verlieren könnte.
Ich konnte Cesares Kind nicht zur Welt bringen!
Meine Affäre mit dem Bischof von Pamplona war beendet. Ich wusste nicht, ob ich ihn jemals wiedersehen würde. Und ich ahnte nicht, wie ein Kardinal Cesare Borgia reagieren würde, wenn ich eines Tages mit seinem Sohn im Arm in Rom auftauchen würde. Und selbst wenn er dem Kind ein liebevoller Vater wäre: Ich wollte mich nicht an ihn binden. Ich durfte es nicht. Die Beziehungen der Medici zu den Borgia waren mit Giulios Weihe, seiner Ernennung zum Prior in Capua durch Kardinal Rodrigo Borgia und Giannis Teilnahme am nächsten Konklave schon kompliziert genug. Da musste ich dem nächsten Papst nicht auch noch einen Enkel schenken!
Über die Bastarde der Signori de’ Medici, Borgia und Sforza sah man in Florenz mit einem spöttischen Augenzwinkern hinweg – aber das uneheliche Kind einer Caterina de’ Medici konnte nicht vor der Öffentlichkeit versteckt werden. Lorenzo würde mich verheiraten, bevor mein Zustand offensichtlich wurde. Vielleicht doch noch mit Giovanni Sforza oder mit Gian Giordano Orsini. Meine Karriere als Gelehrte wäre beendet, bevor sie wirklich begonnen hatte.
Vor allem durfte Giovanni nicht erfahren, dass ich schwanger war. Unsere Beziehung, nicht nur die zwischen einem Maestro und seiner Schülerin, sondern auch unsere Freundschaft und unsere Liebe wären zum Scheitern verurteilt. Ich liebte Giovanni. Und wenn er sich mir auch entzog: Ich wollte ihn auf keinen Fall verlieren, nicht als Maestro, nicht als Geliebten, Angebeteten. Das hätte ich nicht ertragen.
Aber an wen konnte ich mich wenden? An Lorenzos Medicus Stefano della Torre? Nein, ausgeschlossen. Dann konnte ich auch gleich bei Lorenzo beichten. An Sandro Botticelli?
Oder sollte ich mich an Luciano Palmieri wenden, den bekanntesten Apotheker von Florenz? Luciano war Mitglied der Alchemistengilde – ich hatte ihn vor kurzem während eines Gildetreffens bei Sandro Botticelli kennen gelernt. Er verfügte über das notwendige medizinische Wissen, aber leider auch über ein sensibles Gewissen, wie ich während Fra Girolamos Predigten in San Marco feststellen konnte, als ich Luciano dort traf. Da ich ihm die Gründe für meine Entscheidung nicht
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