Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)
Kissen aufsetzte, begann sich die Welt um mich zu drehen – zuerst langsam, dann immer schneller, als ich versuchte, mich vom Bett zu erheben, um zum Schreibtisch zu gelangen.
Meine Knie trugen mich nicht, und ich rutschte kraftlos an der Bettkante hinab auf den kalten Boden. Trotz der Fieberhitze fror ich erbärmlich. Es war kalt in meinem Zimmer, denn ich hatte das Kaminfeuer ausgehen lassen.
Benommen kroch ich hinüber zum Tisch, zog mich daran hoch, bis ich davor kniete, tastete mit der rechten Hand nach der Karaffe, um den Zinnbecher zu füllen. Sie war zu schwer, und ich musste mich gegen den Schreibtisch lehnen und sie mit beiden Händen umfassen, um sie anheben zu können. Unerträglich laut, wie die dröhnenden Glocken von Santa Maria del Fiore, klapperte die Karaffe gegen den Zinnbecher.
Gierig trank ich, doch meine Lippen waren bereits so taub, dass die Hälfte des Wassers an meinen Wangen hinab bis zum Kinn lief und auf den Boden tropfte. Ich stellte den Becher zurück auf den Tisch und griff erneut nach der Karaffe. Ich musste mehr trinken! Ich richtete mich auf, zog das schwere Glasgefäß zu mir heran, um den Zinnbecher erneut zu füllen, als meine Knie unter mir nachgaben. Ich versuchte mich am Tisch festzuhalten. Vergeblich! Meine schweißnassen Finger glitten ohne einen Halt über die Tischplatte. Im Fallen riss ich die Karaffe mit.
Das Letzte, an das ich mich erinnern konnte, war das Zersplittern von Glas. Dann kamen die Engel …
Ginevra fand mich am nächsten Morgen bewusstlos in meinem Blut liegend. Eine der Glasscherben hatte sich in meinen Arm gebohrt, als ich vor dem Schreibtisch zusammengebrochen war.
Stefano della Torre, Lorenzos Medicus, brachte mich wenige Minuten später in mein Bett, das Ginevra frisch bezogen hatte. Seine Diagnose lautete: »Cholera.«
… jedenfalls hatte Lorenzo mir das später erzählt, denn ich konnte mich an nichts erinnern, was in dieser Nacht oder am folgenden Tag geschah. An nichts als die Engel, die an meinem Bett wachten.
Zwei Tage und drei Nächte schlief ich, dann erwachte ich in eine Wirklichkeit hinein, in der die Menschen viel zu laut sprachen und Unsinn redeten. Die Worte, die mir wie Meereswogen entgegenbrandeten, ergaben keinen Sinn. Eine Gischt aus Fragen, auf die keine Antwort erwartet wurde. Beruhigende Worte, randvoll mit Gefühlen. Zarte Hände, die mich streichelten …
Als ich das nächste Mal die Augen aufschlug, saß Lorenzo an meinem Bett und hielt meine Hand, obwohl er befürchten musste, sich mit der Cholera zu infizieren. Ich sagte etwas, das ich selbst nicht verstand, und er gab mir zu trinken.
Dann war ich wieder eingeschlafen.
»Wie geht es dir?«, fragte Giovanni nach einem freundschaftlichen Kuss auf meine Wange.
»Es fühlt sich an, als lebte ich noch. Aber ganz sicher bin ich mir nicht …«, hauchte ich mit einem gequälten Lächeln.
Er zog sich mit dem Fuß einen Sessel heran und setzte sich, ohne meine Hand loszulassen, neben mein Bett.
»Wie geht es voran?«, fragte ich mit heiserer Stimme.
Giovanni sprach von der brennenden Taube, von der sich windenden Schlange, vom Tod des Drachen und vom Phoenix aus der Asche – verschlüsselte Beschreibungen der durchgeführten Transmutationen. » Deo concedente – wenn Gott will, werde ich heute Abend die Separatio beenden«, hoffte er.
Ich schloss die Augen und atmete tief durch. »Ich wünschte, ich könnte dir helfen«, seufzte ich. Und ich wünschte, ich würde verstehen, wovon Giovanni sprach …
»Das kannst du, Caterina: Tu mir den Gefallen und werde schnell wieder gesund.«
»Versprochen!«, lächelte ich schwach. »Ich möchte dich auch um einen Gefallen bitten, Giovanni.«
Er nahm meine Hand und küsste sie. Seine Lippen bewegten sich, als wollte er etwas sagen, doch er blieb stumm.
»Siehst du mein Notizbuch auf dem Tisch? Bitte schreibe auf, welche Operationen du durchführst. Damit ich es später nachlesen kann. Dann wird es so sein, als wäre ich dabei gewesen.«
»Ich werde alles aufschreiben«, versprach er. »Und, Caterina: Du bist dabei. Jeden Augenblick bist du bei mir.«
Warum ich weinte, weiß ich nicht mehr.
Drei Tage später wechselte Stefano della Torre den Verband an meinem Arm, wo ich mich an einer Scherbe der zerbrochenen Glaskaraffe verletzt hatte, und untersuchte mich gründlich.
»Ihr habt sehr viel Blut verloren, Madonna Caterina«, sagte der Medicus, als er seine Instrumente in seine Tragekiste packte. »Ihr müsst viel
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