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Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)

Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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und wir waren allein im Speisesaal. Der Botschafter von Venedig war vor wenigen Tagen mit seinem Gefolge abgereist, Piero und Giuliano hielten sich in der Villa in Careggi auf, Alfonsina war vor zwei Tagen mit unserem Cousin Gian Giordano Orsini für einige Wochen nach Rom geritten, um ihre Verwandten zu besuchen.
    Ich sah Lorenzo erschrocken an. Woher wusste er …?
    Er lehnte sich auf seinem Sessel zurück und stocherte lustlos auf seinem Teller herum, während er mir hin und wieder einen forschenden Blick zuwarf. Sah ich schuldbewusst genug aus, um mich mit weiteren Fragen zu quälen?
    »Heute Nacht war Vollmond. Hat er mit dem Opus begonnen?«
    Ich zögerte: Doch wozu leugnen? »Ja.«
    »Wie hast du Giovanni dazu gebracht, dich als Schülerin aufzunehmen, Caterina? Er arbeitet doch am liebsten allein.«
    »Ich habe ihn mit allen meinen Kenntnissen und Fähigkeiten überzeugt«, gestand ich, und es war nicht einmal gelogen.
    »Offensichtlich hat ihn das beeindruckt, denn sonst hätte er dich zurück nach Florenz eskortieren lassen. Wann wirst du ihn wiedersehen?«
    »Heute Nachmittag, gleich nach der Arbeit in der Bibliothek und dem Griechisch-Unterricht.«
    Lorenzo warf unwillig seinen Dolch auf den Tisch, als sei das Mahl beendet. Als ein Diener seinen Teller abräumen wollte, winkte er ihm ungeduldig ab. »Du fragst nicht nach meinem Einverständnis …«
    »Nein, Lorenzo, ich frage nicht danach«, sagte ich leise, aber bestimmt. Es klang wie eine persönliche Unabhängigkeitserklärung. »Das ist eine Entscheidung, die ich selbst treffen muss. Und ich habe sie bereits getroffen.«
    »Was ist zwischen Giovanni und dir?«, fragte er.
    »Nichts«, versicherte ich ihm.
    »Nichts außer langen Blicken, zärtlichen Berührungen und endlosen Diskussionen in der Bibliothek bis nach Mitternacht. Nichts außer zwölf durchwachten Nächten in deinem Zimmer. Nichts außer deinem nächtlichen Verschwinden in seine Villa in Fiesole. Nichts außer der Tatsache, dass du Giovannis Conclusiones auf meinem Lesepult gegen Marsilio Ficinos Theologia Platonica ausgetauscht hast. Nichts außer dem Faktum, dass du ein verbotenes Buch liest und den Kirchenbann riskierst.
    Wenn Papst Innozenz erfährt, dass ich noch ein Exemplar der Conclusiones besitze, wird er meine Exkommunikationsbulle wegen Häresie gleich nach deiner siegeln. Ich war bereits einmal gebannt, und irgendwie werde ich es überstehen, aber Gianni wird als Kardinal nicht begeistert sein. Ebenso wenig wie Fra Savonarola und vierundneunzigtausendzweihundert Florentiner, über die das Interdikt gesprochen wird.«
    Ich schwieg betroffen.
    »Dass du eine Entscheidung getroffen hast, Caterina, weiß ich seit Giovannis Ankunft hier im Palazzo. Mich würde aber interessieren, welche Entscheidung er getroffen hat.«
    »Ich verstehe nicht …«
    »Angelo ist wie ein Bruder für mich, und er ist an meiner Seite an die Stelle deines Vaters Giuliano getreten. Aber Giovanni ist mein bester Freund, mein engster Vertrauter. Wir sprechen über alles. Ich hätte also nichts dagegen, wenn ihr …«
    Ich auch nicht, Lorenzo! Glaub mir: Ich will Giovanni lieben, ihn küssen, ihn zärtlich berühren, ihn begehren und den Rest meines Lebens mit ihm verbringen! Aber ich kann es nicht! Ich darf es nicht!
    »Giovanni und ich arbeiten zusammen. Er ist mein Maestro, ich bin seine Schülerin«, erklärte ich leise.
    Lorenzos Blicken konnte ich nicht standhalten.
    Er glaubte mir kein Wort.

    Nach meiner Arbeit in der Bibliothek – ich hatte damit begonnen, das griechische Johannes-Evangelium zu kopieren – und nach einem vergnüglichen Mittagessen mit Niccolò Machiavelli, der eigentlich auf einen ebenso amüsanten Nachmittag mit mir gehofft hatte, kehrte ich in die Villa Pico in Fiesole zurück.
    Giovanni nahm seine Aufgabe als mein Maestro sehr ernst. Er begann mich die Arkana zu lehren, die Geheimnisse, die der Adept an seinen Schüler weitergibt. Er legte mir die hermetischen Gesetze aus, erklärte mir die Atomtheorie des Demokritos und die drei Prinzipien Sulfur, Mercurius und Sal – Körper, Seele und Geist. Er machte mich mit Platons fünf Elementen vertraut – Feuer, Wasser, Luft, Erde und die Quinta essentia: das Leben. Und er ließ mich die sieben wichtigsten Transmutationen in mein Notizbuch schreiben, ausgehend von der Prima Materia: die Solutio, Coagulatio, Calcinatio, Sublimatio, Separatio, Mortificatio, Coniunctio. Die Coniunctio, die Fusion der Elemente nach der »Tötung« der

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