Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)
erläutern konnte, ohne dass sie sein freundschaftliches Verhältnis mit Giovanni belasteten, brauchte ich sein Gewissen nicht unnötig zu strapazieren.
Es gab nicht viele, die ich sonst noch bitten konnte.
Nein, nicht viele. Nur einen Einzigen.
»Und wieso kommt Ihr ausgerechnet zu mir?« Er wirkte nicht sehr glücklich über meine Entscheidung.
»Weil Ihr mein Beichtvater seid. Aber vor allem, weil Ihr Medizin studiert habt …«
»Ich habe das Studium abgebrochen«, wandte er ein. Meinem Blick wich er aus.
»… und weil Ihr schon einmal unglücklich verliebt wart. Weil ich deshalb auf Euer Verständnis hoffe.«
Fra Girolamo sah mich überrascht an. Dann wandte er sich abrupt ab und lief wie gehetzt in seiner schmalen Zelle auf und ab, drei Schritte bis zum Fenster, drei Schritte zurück zur Tür.
Ich kniete noch immer auf den Steinfliesen vor seinem Betstuhl und wartete ab, wie er sich entscheiden würde.
Es war eisig kalt in Savonarolas Zelle und die karge Einrichtung – ein Schreibtisch, auf dem als einziges Buch die Heilige Schrift lag, ein hölzerner Faltstuhl und hinter einem halb geschlossenen Vorhang ein hartes Bett – tat ein Übriges, dass ich mich elend fühlte. Fra Girolamo hätte selbst einen hölzernen Crucifixus mit Korpus an der Wand für übertriebenen Luxus gehalten.
Vor dem Fenster blieb der Prior stehen und sah durch die beschlagenen Scheiben in den Kreuzgang des Konvents hinunter.
»Kenne ich den Vater?«, fragte er nach einem langen Schweigen.
Das erste hermetische Gebot forderte: Verissimus esse – Sei aufrichtig! Im Stillen dankte ich Gott, dass Fra Girolamo seine Frage nicht präziser formuliert hatte. »Ihr kennt ihn.«
Das war nicht einmal gelogen. Der Bischof von Pamplona hatte sich schon einige seiner Bußpredigten in San Lorenzo und San Marco angehört.
»O mein Gott!«, stöhnte Fra Girolamo, denn er musste annehmen, dass Giovanni der Vater meines Kindes war: sein bester Freund, den er seit Monaten zu bewegen versuchte, die Gelübde zu leisten und in den Konvent einzutreten. Wie enttäuscht musste der Frater nun sein! Ich hatte ihm erzählt, dass ich Giovanni beim Opus assistierte – irgendwann hätte er es ohnehin erfahren, denn Giovanni besuchte den Prior regelmäßig im Kloster. Die beiden hatten keine Geheimnisse voreinander. Aber Fra Girolamo würde Giovanni nichts von meiner Schwangerschaft verraten, denn er war an das Beichtgeheimnis gebunden …
Savonarola musste mir also helfen, auch gegen sein Gewissen, wenn er doch noch die Seele seines Freundes aus dem Fegefeuer sinnlicher Vergnügungen retten und ihn zum Frater machen wollte.
»Und er weiß nichts davon?«, fragte Fra Girolamo, die heiße Stirn gegen das gefrorene Fenster gelehnt. Die Scheibe beschlug unter seinem Atem.
»Nein! Und ich will es dabei belassen«, sagte ich entschlossen.
»Das wird wohl auch das Beste sein«, stimmte er zu. »Und was erwartet Ihr nun von mir?«
»Ich hoffe, dass Ihr mir ein Mittel, ein Gift, gebt, das …«
»Ich soll mich versündigen?«, brüllte er, ohne sich zu mir umzudrehen. Meinen Anblick ertrug er offenbar nicht. Hastig schlug er mit der Hand ein Kreuz. »Ihr verlangt nicht weniger, als dass ich einen Mord begehen soll, Caterina!«
»Nein, Prior! Das verlange ich nicht «, erinnerte ich ihn.
Überrascht sah er mich über die Schulter an. Unsere Blicke kreuzten sich wie zwei scharfe Klingen, schlugen Funken in dem Versuch, die Willensstärke des anderen zu erforschen. Schließlich wandte er sich wieder dem Fenster zu. Die Scheibe war durch seinen Atem mittlerweile so undurchsichtig, dass er draußen nichts erkennen konnte.
Die Glocken von San Marco begannen zu läuten, und er zuckte zusammen. Einige Augenblicke verharrte er reglos, den Kopf wie im Gebet geneigt, dann hob er die rechte Hand und wischte über die Scheibe. Er malte irgendetwas auf das beschlagene Glas. Schließlich drehte er sich zu mir um und kam zwei Schritte auf mich zu. »Ich kann Euch keine Absolution für eine Tat erteilen, die noch nicht begangen wurde. Bitte geht jetzt!«, forderte er mich auf. »Die Glocken rufen mich wie alle Mönche von San Marco zur Messe.«
Warum sagte er das? Als ich mich erhob, sah ich über seine Schulter hinweg, was er auf die Scheibe gemalt hatte: einen groben Lageplan des Konvents mit dem Kreuzgang und … der Apotheke! Darunter stand ein Wort: Cantarella.
Ich küsste ihn zart auf die Wange. »Gott wird es Euch vergelten!«
»Hoffentlich nicht«, sagte
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