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Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)

Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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er leise.

    Da ich nicht wusste, wie viel von dem Gift ich benötigen würde, nahm ich eine ganze Hand voll aus dem Gefäß im Apothekerregal. Ich ließ das weiße Pulver in mein Taschentuch rieseln, verknotete es sorgfältig und steckte es in den weiten Ärmel meines Kleides, bevor der Frater Infirmarius von der Abendmesse in seine Apotheke zurückkehrte.
    Unauffällig verließ ich den Konvent und begab mich mit meiner wartenden Leibwache die Via Larga hinunter in Richtung Domplatz. In der Via dei Speziali besorgte ich mir eine halbe Stunde später bei Luciano Palmieri das Handbuch, das alle florentinischen Ärzte und Apotheker gemäß den Vorschriften ihrer Zunft zu benutzen hatten, wenn sie ihre Heilmittel und Kosmetika herstellten. Dann kehrte ich in den Palazzo Medici zurück.
    Nach dem Abendessen und einer Unterhaltung mit Lorenzo und Angelo vor dem Kamin zog ich mich in mein Zimmer zurück.
    Ich fand die Cantarella unter der Rubrik der tödlichen Gifte in Lucianos Apothekerhandbuch. Der Hauptbestandteil war weißes Arsen. Die Symptome: Magenkrämpfe, Darmblutungen, Erbrechen von schwarzem Blut, nach einem Tag unstillbare Blutungen an inneren Organen, nach einem weiteren Tag Erstickungsanfälle, weil auch die Lunge zu bluten begann. Mit anderen Worten: Eine leichte Intoxikation durch Cantarella hatte dieselben Symptome wie eine Cholera-Infektion. Eine schwere Vergiftung war der grausamste Tod, den ich mir vorstellen konnte … nein! … den ich mir in jener Nacht vorstellen konnte – denn in den nächsten Jahren würde ich noch lernen, wozu ein Mensch fähig ist, wenn er seinen eigenen mit dem göttlichen Willen verwechselt.
    Das Handbuch enthielt natürlich kein »man nehme …« zur Dosierung des todbringenden Giftes. Die tödliche Menge war angegeben, aber allein um diese genau abzumessen, hätte ich Lucianos Apothekerwaage benutzen müssen. Noch schwieriger war es zu entscheiden, wie viel weniger als die letale Dosis ich nehmen musste, um das Leben in mir zu töten, ohne mich selbst umzubringen. Die Hälfte, ein Drittel, ein Viertel?
    Es war schon spät in der Nacht, als ich im Nachthemd fröstelnd an meinem Schreibtisch saß und auf das aufgeknotete Taschentuch mit dem tödlichen weißen Pulver starrte. Eine ganze Hand voll! Dem Rezeptbuch zufolge konnte ich mit dieser Menge hundert Menschen töten.
    Mit zitternden Fingern griff ich nach einem Zinnbecher und füllte ihn mit kühlem Wasser aus der Glaskaraffe, die immer auf meinem Nachttisch stand. Ein furchtbarer Gedanke beschäftigte mich: Würde ich dem Ewigen Leben jemals wieder so nah sein wie in dieser Nacht? Ich war auf der Suche nach dem Elixirium vitae und trank vom Elixirium mortis. Das Ewige Leben – war das der Tod? Ist die Seele unsterblich? Gibt es eine Auferstehung, ein Leben nach dem Tod? Wenn ich das Gift falsch dosierte, würde ich das bald nicht nur glauben, sondern wissen …
    Entschlossen zog ich meinen Dolch, tauchte die Spitze in das Wasser, ließ einen Tropfen in den Becher zurückfallen, berührte mit der Klinge das Gift. Eine winzige Menge blieb hängen. Ich rührte mit dem Dolch im Wasserbecher, bis sich die Cantarella aufgelöst hatte. Dann wischte ich die Klinge an einem Taschentuch ab, das ich ins Kaminfeuer warf, und hielt sie in die Flamme der Kerze auf meinem Schreibtisch, bis alle Spuren der Cantarella verbrannt waren.
    »Gott, vergib mir!«, flüsterte ich, ergriff den Zinnbecher und trank ihn leer.

    Gott vergab mir nicht.
    Er war zornig und sandte Seine Engel an mein Bett, um mich leiden zu lassen. Und sie fanden Gefallen daran, mich zu quälen.
    Während der ersten Stunde lag ich wach, starrte in den Brokathimmel des Bettes hinauf und versuchte zu fühlen, wo in meinem Körper die Schmerzen begannen. Es war im Magen. Er ballte sich wie eine Faust zusammen. Ich hatte während des Abendessens nur ein wenig trockenes Brot gegessen, sodass ich nicht viel in den Nachttopf übergab. Die Kerze auf meinem Nachttisch war noch keine Handbreit heruntergebrannt, als ich begann, Blut zu erbrechen.
    Ich verlor viel Flüssigkeit. Zu viel! Das Bett war nass, nicht nur von meinem Fieberschweiß. Ich war durstig und musste trinken, um den Brand in meinem Inneren zu löschen.
    Aber ich hatte die Karaffe auf meinem Schreibtisch stehen lassen, nachdem ich das Taschentuch mit dem Gift verknotet und in einer der kleinen verschließbaren Schubladen versteckt hatte. Das Schreibpult war fünf Schritte vom Bett entfernt. Als ich mich in den

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