Die Karriere-Bibel
angetreten und arbeitet bereits einige
Wochen für das Unternehmen, als ein großer, älterer Herr im dunklen Anzug bei ihm an die Bürotür klopft: »Guten Tag, Karl«,
sagt der Mann, »mein Name ist Gilbert Nobel. Haben Sie eine Minute?« Karl hat den Namen zwar schon gehört, aber das Gesicht
dazu noch nie gesehen, und so erkennt er auch nicht auf Anhieb den vielgeachteten Gründer des Unternehmens. Karl bittet den
Mann, sich zu setzen. Danach fährt dieser fort: »Darf ich Ihnen etwas über
Ihr
Unternehmen erzählen?« Karl nickt neugierig. »Wissen Sie,
Ihr
Unternehmen ist ein Erster-Klasse-Konzern. Wir haben Erster-Klasse-Produkte, Erster-Klasse-Kunden, Erster-Klasse-Werbung.
Manchmal fliegen wir sogar erster Klasse, weil wir dort unsere Erster-Klasse-Kunden treffen.« Dann streckt er Karl die Hand
entgegen. »Und, Karl, wir beschäftigen grundsätzlich nur Erster-Klasse-Mitarbeiter. Willkommen an Bord, Karl!«
Es fällt nicht schwer, sich vorzustellen, wie sich Karl gefühlt hat und welche Auswirkungen diese zwei Minuten auf seine Motivation
und Leistung haben werden. Kleine Investition – große Wirkung. Es kostet weder viel Zeit noch viel Geld, die Begeisterung
und die Leidenschaft der Menschen für das Unternehmen und ihre Aufgabe zu wecken. 120 Sekunden reichen. Obendrein sind sie
eine gute Investition in die eigene Legendenbildung. Ein solcher Boss wird respektiert, hinterlässt Hochachtung und eine Erinnerung,
die länger hält als eine Dekade.
Der Fisch stinkt vom Kopf. Der Boss, ob er will oder nicht, prägt maßgeblich die Kultur, den Ton und die Werte in seinem Unternehmen.
Über kurz oder lang werden die Mitarbeiter in den Büros, in der Produktion, im Lager, im Vertrieb, im Controlling seinem Beispiel
folgen. Erscheint der Boss stets pünktlich, werden sich alle daran halten. Ist er offen, fair und gerecht, werden sich die
Leistungen verbessern. Wird er klar kommunizieren, wohin und wie er das Unternehmen führen will, werden ihm die Leute folgen.
So einfach ist das – und so selten.
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|338| 2. Oktober
Ade in spe – Innere Kündigung ist Chefsache
Schlimmer als Mitarbeiter, die wenig leisten, sind solche, die kündigen – und zwar innerlich. Das ist ein schleichender Prozess,
der darin gipfelt, dass sich Mitarbeiter gegenüber ihrem Unternehmen nicht mehr loyal verhalten, weil sie glauben, dass das
umgekehrt genauso ist. Schuld daran sind fast immer Vorgesetzte, deren Führungsstil auf Befehl und Gehorsam basiert. Das Schema
ist nahezu immer gleich:
Der Chef greift ständig in Arbeit und Aufgabenbereiche ein und zeigt seinen Mitarbeitern so, dass er ihren Entscheidungen
grundsätzlich misstraut. Schlimmstenfalls wird daraus Kontrollsucht oder gezieltes Fahnden nach Fehlern.
Der Chef will alle bis zur untersten Ebene durchregieren. Die Führungskräfte dazwischen werden degradiert und empfinden diesen
Polypengriff als Gesichtsverlust vor ihrem Team.
Der Chef überträgt zwar Verantwortung, nimmt sie aber kurz darauf wieder zurück – möglichst in Verbindung mit ironischen Bemerkungen
(»Jeder macht mal Fehler, ich auch.«) und alles coram publico. Gute Leistungen erkennt er sowieso nicht an.
Ein solches Verhalten vergiftet das Betriebsklima nachhaltig, bremst Kreativität, Mut und Innovation. Wer so handelt, tut
sich persönlich keinen Gefallen: Er kann nicht auf die Kraft und Loyalität seines Teams in schlechten Zeiten zählen und muss
sich parallel vor Intrigen fürchten. Und genau darin liegt die Gefahr: Nicht wenige Manager ärgern sich über leidenschaftslose
Minderleister oder Mitarbeiter, die nur noch Dienst nach Vorschrift verrichten und übersehen, dass es womöglich an ihrem eigenen
Führungsstil liegt. Dabei ist kooperativer Führungsstil keine Utopie: Er setzt darauf, Verantwortung zu delegieren, schenkt
den Mitarbeitern Freiräume, Vertrauen, Bestätigung und räumt ein, dass Menschen auch mal Fehler machen. Nur nicht immer dieselben.
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|339| 3. Oktober
Frühwerk – Projekte scheitern letztlich an Ungeduld
»Angeblich scheitern 40 Prozent aller IT-Projekte.«
»Das liegt am Whiscy.«
»Willst du damit behaupten, Informatiker sind notorische Säufer?«
»Ich glaube, die stehen mehr auf Kaffee und Pizza. Aber die Projekte scheitern am Whiscy-Syndrom.«
»Klingt nach armen Schluckern …«
»… ist aber ein Kürzel. Es steht für: Why Isn’t Sam Coding Yet und beschreibt das Phänomen, dass
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