Die Kartause von Parma
setzte sich der Schande aus, von dem Gefängnisaufseher Grillo eine Weigerung zu erhalten; mehr noch, sie setzte sich all den Glossen aus, die sich dieser Mensch bei der Absonderlichkeit ihres Betragens erlauben konnte. Sie erniedrigte sich so tief, daß sie ihn zu sich kommen ließ und mit zitternder Stimme, die ihr ganzes Geheimnis verriet, zu ihm sagte, Fabrizzio werde binnen kurzem wieder freigelassen; die Duchezza di Sanseverina wende in der Hoffnung darauf alle Mittel an, und es sei nötig, die Antwort des Gefangenen auf gewisse Vorschläge, die man gemacht, bald zu haben. Sie ersuchte Grillo, Fabrizzio zu gestatten, in dem Schirm, der seine Fenster verbaue, eine Öffnung herzustellen, damit sie ihm durch Zeichen die Pläne mitteilen könne, die sie täglich mehrere Male von der Duchezza di Sanseverina empfange.
Grillo lächelte und versicherte ihr seine Ehrfurcht und Ergebenheit. Clelia war ihm sehr dankbar, daß er nichts weiter dazu sagte. Offenbar wußte er recht gut alles, was sich seit mehreren Monaten zugetragen hatte.
Kaum war Grillo aus dem Zimmer, als sie das Zeichen gab, das sie mit Fabrizzio vereinbart hatte, um wichtige Dinge anzukündigen. Sie gestand ihm alles, was sie soeben getan hatte. »Sie wollen durch Gift zugrunde gehen«, fügte sie hinzu. »Hoffentlich habe ich den Mut, dieser Tage meinen Vater zu verlassen und in irgendein fernes Kloster zu fliehen. Das bin ich Ihnen schuldig. Dann widerstreben Sie hoffentlich nicht mehr den Plänen, die Ihnen vielleicht vorgeschlagen werden, um Sie zu befreien. Solange Sie hier sind, habe ich schreckliche, unvernünftige Augenblicke. Nie in meinem Leben habe ich zum Unglück irgendeines Menschen beigetragen, aber es scheint mir, als ob ich schuld daran wäre, wenn Siestürben. Dieser Gedanke würde mich schon eines mir gänzlich Fremden wegen in Verzweiflung stürzen; stellen Sie sich vor, was ich leiden müßte, wenn ein Freund, dessen Unvernunft mir viel Anlaß zu Klagen gibt, den ich aber seit so langer Zeit tagtäglich sehe, eine Beute des Todes würde. Zuweilen fühle ich das Bedürfnis, von Ihnen persönlich zu erfahren, daß Sie am Leben sind. Um diesen gräßlichen Schmerz von mir zu nehmen, habe ich mich so weit erniedrigt, die Gnade eines Unterbeamten anzuflehen, der mich hätte abweisen können und der mich möglicherweise noch verraten wird. Übrigens wäre ich vielleicht glücklich, wenn er meinem Vater alles hinterbrächte; Ich würde auf der Stelle in ein Kloster gehen, ich wäre nicht mehr der recht unfreiwillige Mitschuldige Ihrer peinigenden Torheit. Aber, glauben Sie mir, so kann es nicht mehr lange weitergehen. Sie werden den Befehlen der Duchezza gehorchen! – Sind Sie nun zufriedengestellt, grausamer Freund? Ich selbst reize Sie auf, meinen Vater zu hintergehen! Rufen Sie Grillo und geben Sie ihm eine Belohnung!«
Fabrizzio war dermaßen verliebt, die einfachste Willensäußerung Clelias brachte ihn so in Angst, daß ihm selbst diese sonderbare Mitteilung nicht die Gewähr ihrer Liebe gab. Er rief Grillo, belohnte ihn für die früheren wie künftigen Gefälligkeiten und versprach ihm eine Zechine für jeden Tag, an dem er ihm erlaube, von dem im Fensterschirm eingesägten Guckloch Gebrauch zu machen. Grillo war über diese Vereinbarung entzückt.
»Wenn ich offen reden darf, Monsignore, so wollen Sie gütigst nur immer kalt speisen. Das ist das allereinfachste Mittel, dem Gift aus dem Wege zu gehen. Nur bitte ich um strengstes Stillschweigen. Ein Gefängnisaufseher muß alles sehen, aber nichts merken. Wenn der Hund verreckt, gibts andere. Lassen Sie ihn von allen Schüsseln vorher kosten, von denen Sie essen wollen. Was den Wein anlangt, so will ich Ihnen von meinem geben; rühren Sie keinen an außer von den Flaschen, aus denen ichgetrunken habe. Wenn mich Eccellenza auf ewig ins Unglück stürzen wollen, so genügt es schon, diese Einzelheiten Signorina Clelia mitzuteilen. Frauen bleiben Frauen. Wenn Sie sich morgen mit ihr entzweien, trägt sie übermorgen aus Rache die ganze Geschichte ihrem Vater zu, dem es einen Hauptspaß machen würde, mal einen Aufseher am Kragen zu kriegen. Abgesehen von Barbone ist er vielleicht der bösartigste Mensch in der ganzen Zitadelle. Von dem droht Ihnen die größte Gefahr. Er ist ein Meister im Giftmischen; davon können Sie überzeugt sein, und er würde mir den Einfall, drei oder vier kleine Hunde zu opfern, niemals verzeihen.«
Abermals fand eine Serenade statt. Jetzt antwortete
Weitere Kostenlose Bücher