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Die Kartause von Parma

Die Kartause von Parma

Titel: Die Kartause von Parma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stendhal
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daß er dann von hinnen gehe, um sich zu töten.
    Kaum war er fort, als sie sich, von trüben Vorahnungen erfüllt, sagte: ›Auch ich kann sterben, und, so Gott will, bald. O, daß ich einen Mann fände, der dieses Namens wert ist und dem ich meinen armen Fabrizzio anvertrauen könnte!‹
    Ein Gedanke durchfuhr die Duchezza. Sie nahm ein Blatt Papier und schrieb darauf eine Bescheinigung, in die sie die wenigen ihr geläufigen Rechtsausdrücke einflocht, daß sie von Herrn Ferrante Palla die Summe von fünfundzwanzigtausend Franken erhalten habe unter der ausdrücklichen Bedingung, dafür eine lebenslängliche Rente von jährlich fünfzehnhundert Franken an Frau Sarazina und deren fünf Kinder auszuzahlen. Die Duchezza fügte hinzu: ›Dazu setze ich jedem Kinde eine lebenslängliche Rente von jährlich dreihundert Franken aus, unter der Bedingung, daß Herr Ferrante Palla meinem Neffen Fabrizzio del Dongo seinen ärztlichen Rat gewährt und an ihm Bruderstelle vertritt. Darum bitte ich ihn.‹ Sie unterzeichnete die Urkunde, datierte sie ein Jahr zurück und faltete sie zusammen.
    Zwei Tage darauf ließ sich Ferrante wieder blicken. Es war gerade zu einem Zeitpunkt, da die ganze Stadt durch das Gerücht von der bevorstehenden Hinrichtung Fabrizzios in Aufregung war. Würde diese traurige Zeremonie in der Zitadelle oder unter den Bäumen der öffentlichen Promenade stattfinden? Eine große Volksmengelief an jenem Abend vor dem Tor der Zitadelle spazieren, um nachzusehen, ob man das Schafott errichte. Dieses Schauspiel hatte Ferrante tief bewegt. Er fand die Duchezza in Tränen aufgelöst und nicht imstande, zu sprechen. Sie grüßte ihn mit der Hand und wies ihm einen Sessel an. Ferrante, an diesem Tage als Kapuziner verkleidet, war großartig. Statt sich zu setzen, fiel er auf die Kniee und betete mit flüsternder Stimme inbrünstig zu Gott. Sobald die Duchezza etwas ruhiger zu werden schien, unterbrach er sein Gebet, ohne seine Stellung zu verändern, und sagte: »Wiederum bietet er sein Leben an.«
    »Bedenken Sie, was Sie sagen!« rief die Duchezza mit jenem verstörten Blick, der, wenn man geweint hat, anzeigt, daß die Rührung in Zorn übergeht.
    »Er bietet sein Leben an, um das Schicksal Fabrizzios zu wenden oder ihn zu rächen.«
    »Es gäbe einen Fall, in dem ich das Opfer Ihres Lebens annehmen könnte.«
    Sie blickte ihn mit strenger Aufmerksamkeit an. Helle Freude strahlte aus seinem Antlitz. Blitzschnell stand er auf und hob die Arme gen Himmel. Die Duchezza holte ein Schriftstück herbei, das im Geheimfach eines großen Nußbaumschrankes verborgen war.
    »Lesen Sie!« sagte sie zu Ferrante. Es war die Schenkungsurkunde für seine Kinder.
    Vor Tränen und Schluchzen vermochte Ferrante nicht zu Ende zu lesen. Er sank wieder auf die Kniee.
    »Geben Sie mir das Papier zurück!« sagte die Duchezza und verbrannte es vor seinen Augen an der Kerze. »Es ist nicht nötig, daß mein Name genannt wird, wenn Sie ergriffen und hingerichtet werden. Denn es gilt Ihren Kopf.«
    »Ich gehe mit Freuden in den Tod, wenn ich dem Tyrannen schade, und mit viel größerer Freude, wenn ich für Sie sterbe. Da das so ist und Sie mich verstehen, geruhen Sie die kleine Geldfrage nicht wieder zu erwähnen. Ich würde darin einen kränkenden Zweifel erblicken.«
    »Wenn Sie in Verdacht geraten,« erwiderte die Duchezza, »könnte mir das gleiche widerfahren und nach mir Fabrizzio. Darum, und nicht, weil ich Ihren Mut bezweifelte, fordere ich, daß der Mann, der mir mein Herz durchbohrt, vergiftet wird und nicht erdolcht. Aus dem nämlichen für mich wichtigen Grunde befehle ich Ihnen, alles mögliche zu Ihrer Rettung zu tun.«
    »Ich werde gehorsam, gewissenhaft und vorsichtig ans Werk gehen. Frau Duchezza, ich ahne, daß meine Rache gleichzeitig die Ihrige sein wird. Wie dem auch sei, ich werde treulich, gewissenhaft und vorsichtig gehorchen. Es ist möglich, daß ich keinen Erfolg habe, aber ich werde meine ganze Manneskraft einsetzen.«
    »Es handelt sich darum, den Mörder Fabrizzios zu vergiften.«
    »Das hatte ich vermutet, und seit den siebenundzwanzig Monaten, solange ich dieses gräßliche Wanderleben führe, habe ich oft an die gleiche Tat auf eigene Rechnung gedacht.«
    »Wenn ich entdeckt und als Mitschuldige verurteilt werde,« fuhr die Duchezza stolz fort, »so will ich keineswegs, daß man mich bezichtigen könne, ich sei Ihre Verführerin. Ich befehle Ihnen: Trachten Sie nicht mehr danach, mich zu sehen, bis die

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