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Die Kartause von Parma

Die Kartause von Parma

Titel: Die Kartause von Parma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stendhal
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alsounschuldigerweise, dabei geholfen. Seitdem ihre Rache beschlossen war, fühlte sie ihre Kraft; jede Regung ihres Geistes gewährte ihr Befriedigung. Das unmoralische Glück, das man in Italien in der Rache findet, wurzelt in der Einbildung dieses Volkes; die Menschen anderer Länder verzeihen nicht (im Grunde betrachtet), sie vergessen.
    Die Duchezza sah Ferrante Palla erst gegen Ende der Gefangenschaft Fabrizzios wieder. Wie man wohl erraten hat, war er der Urheber des Fluchtplanes. Im Walde, zwei Meilen von Sacca entfernt, stand ein halb verfallener mittelalterlicher Turm, der höher als hundert Fuß war. Ehe Ferrante die Flucht zum zweiten Male mit der Duchezza besprach, bat er sie, ihm Ludovico zu schicken und durch sichere Leute eine Anzahl Leitern in die Nähe dieses Turmes zu schaffen. In Gegenwart der Duchezza erkletterte er mit Leitern den Turm und ließ sich mit einem einfachen Seil wieder herab. Dreimal wiederholte er diesen Versuch. Acht Tage darauf wollte Ludovico ebenfalls an einem Seil von dem alten Turm herabklettern. Das war um die Zeit, als die Duchezza Fabrizzio den Fluchtplan vorschlug.
    In den letzten Tagen, die diesem Anschlag vorausgingen, dessen Ausführung den Tod des Gefangenen zur Folge haben konnte, vermochte die Duchezza keinen Augenblick Ruhe zu finden, außer wenn sie Ferrante um sich hatte. Der Mut dieses Mannes feuerte den ihren an. Aber selbstverständlich mußte sie diesen seltsamen Umgang dem Grafen Mosca verheimlichen. Sie hatte Angst, nicht, daß er darüber empört sein könne, vielmehr, daß ihr seine Einwände wehe tun und ihre Unruhe vermehren würden. Wie, als vertrauten Ratgeber einen anerkannten und zum Tode verurteilten Narren nehmen? ›Einen Menschen,‹ fügte die Duchezza im Selbstgespräch hinzu, ›von dem man die absonderlichsten Dinge zu erwarten hatte!‹
    Ferrante befand sich gerade im Hause der Duchezza, als der Graf ihr die Unterhaltung des Fürsten mit Rassi mitteilte.Als Mosca wieder weg war, hatte sie die größte Mühe, Ferrante davon abzubringen, sein gräßliches Vorhaben auf der Stelle auszuführen.
    »Jetzt bin ich stark!« rief er. »Jetzt bin ich von dem Recht zur Tat durchdrungen!«
    »Aber in der Wut, die unausbleiblich darauf folgt, wird Fabrizzio hingerichtet!«
    »Aber damit würde ihm die gefährliche Flucht erspart. Sie kann gelingen, sogar leicht, aber dem jungen Manne fehlt die Übung«, entgegnete er.
    Die Hochzeit der Schwester des Marchese Crescenzi ward gefeiert. Auf diesem Feste traf die Duchezza mit Clelia zusammen und konnte sich mit ihr unterhalten, ohne bei den Beobachtern der Hofgesellschaft Argwohn zu erwecken. Als die beiden Damen eine Weile im Garten waren, um sich abzukühlen, übergab die Duchezza Clelia das Paket mit den Seilen. Diese waren mit der größten Sorgfalt halb aus Hanf, halb aus Seide hergestellt, mit Knoten, sehr dünn und geschmeidig. Ludovico hatte ihre Haltbarkeit erprobt; sie hielten in allen ihren Teilen eine Last von acht Zentnern aus, ohne zu reißen. Man hatte sie derartig zusammengepreßt, daß sie mehrere Pakete in der Größe von Foliobänden bildeten. Clelia nahm sie zu sich und versprach der Duchezza, alles, was menschenmöglich sei, zu tun, um diese Pakete in die Torre Farnese einzuschmuggeln.
    »Ich habe nur Angst, daß Sie zaghaft sind,« sagte die Duchezza, »und dann,« fügte sie höflich hinzu, »wie können Sie für einen Unbekannten Teilnahme fühlen?«
    »Monsignore del Dongo ist unglücklich. Ich verspreche Ihnen, er soll durch mich gerettet werden!«
    Aber die Duchezza, die von der Geistesgegenwart einer Zwanzigjährigen nicht allzuviel hielt, hatte andere Vorsichtsmaßregeln getroffen, die der Tochter des Kommandanten mitzuteilen sie sich wohlweislich hütete. Wie sich von selbst versteht, nahm der General an diesem Hochzeitsfest teil. Die Duchezza sagte sich: ›Wenn man ihmeinen tüchtigen Schlaftrunk verabreicht, kann man im ersten Augenblick wohl annehmen, es handle sich um einen Schlaganfall, und mit einigem Geschick veranlassen, daß er statt in seinem Wagen in einer Tragbahre nach der Zitadelle zurückgebracht wird.‹ Wie zufällig sollte sich in dem Palast, wo das Fest abgehalten ward, eine solche vorfinden. Ebenso sollten sich brauchbare Leute, als Arbeiter verkleidet, einstellen, die bei dem Fest zu tun hatten, und sich in der allgemeinen Verwirrung höflich erbieten, den Kranken bis in seinen hochgelegenen Palazzo zu tragen. Diese Leute, von Ludovico geführt, sollten

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