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Die Kartause von Parma

Die Kartause von Parma

Titel: Die Kartause von Parma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stendhal
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Ludovico: »Ich werde Sie in diesen Salon einschließen und schnell zum Arzt laufen und ihm mitteilen, daß es sich nur um Laudanum handelt. Aber, großer Gott, was soll ich ihm sagen, woher ich das selber weiß? Dann komme ich zurück und entlasse Sie.«
    »Sagen Sie,« fragte Clelia, sich an der Tür noch einmal eiligst umwendend, »weiß Fabrizzio etwas von der Laudanumgeschichte?«
    »Mein Gott, Signorina, nein! Nie hätte er das zugegeben. Und wozu sollten wir ihn unnützerweise ins Geheimnis ziehen? Wir sind mit der peinlichsten Überlegung zu Werke gegangen. Es handelt sich darum, Monsignore das Leben zu retten. In drei Wochen soll er vergiftet werden. Der Befehl dazu ist durch jemanden erlassen worden, der gewohnt ist, daß seinem Willen keine Schrankenentgegenstehen. Und, wenn ich es Signorina sagen darf, man behauptet, der schreckliche Großfiskal, der Rassi, habe diesen Auftrag übernommen.«
    Clelia lief erschrocken hinweg. Sie hegte so viel Vertrauen zur vollkommenen Ehrlichkeit Don Cesares, daß sie ihm unter gewissem Vorbehalt zu sagen wagte, daß man ihrem Vater weiter nichts als etwas Laudanum beigebracht habe. Ohne etwas zu erwidern und ohne zu forschen, eilte Don Cesare zum Arzt.
    Clelia ging nach dem Salon zurück, wo sie Ludovico in der Absicht eingeschlossen hatte, ihn noch etwas wegen des Laudanums ins Gebet zu nehmen. Sie traf ihn nicht mehr an; er hatte zu entwischen gewußt. Auf dem Tische fand sie eine Börse voller Zechinen und eine kleine Schachtel mit verschiedenen Sorten Gift darin. Beim Anblick dieser Gifte erbebte sie. ›Wer sagt mir,‹ dachte sie, ›daß man meinem Vater nur Laudanum eingegeben hat und daß sich die Duchezza nicht für Barbones Attentat rächen wollte?‹ »Mein Gott,« rief sie laut aus, »ich stehe in Beziehungen zu den Giftmördern meines Vaters! Ich lasse sie entwischen! Wer weiß, ob dieser Mensch nicht ganz andere Dinge auf dem Gewissen hat!«
    In Tränen ausbrechend, sank Clelia in die Kniee und betete inbrünstig zur Madonna.
    Unterdessen gab der Arzt der Zitadelle dem General die nötige Medizin ein. Die Mitteilung Don Cesares, daß es sich um nichts weiter als um Opium handle, hatte ihn höchlichst verwundert. Sehr bald zeigten sich beruhigende Anzeichen. Gegen Tagesanbruch hatte sich der General einigermaßen erholt. Kaum war er wieder bei vollem Bewußtsein, so war sein erstes, den stellvertretenden Kommandanten, einen Obersten, anzufahren, weil dieser sich herausgenommen hatte, während des Generals Bewußtlosigkeit ein paar harmlose Anordnungen zu treffen. Dann richtete sich sein grimmiger Zorn gegen ein Küchenmädchen, das beim Bringen von Fleischbrühe das Wort ›Schlaganfall‹ hatte fallen lassen.
    »Bin ich ein Greis,« polterte er, »daß ich Schlaganfälle kriege? Nur meine ärgsten Feinde können ihren Spaß daran haben, solches Gewäsch in die Welt zu setzen! Hat man mich vielleicht gar zur Ader gelassen, damit die Verleumdung von einem Schlaganfall faseln kann?«
    Fabrizzio, der von den Vorbereitungen zu seiner Flucht voll in Anspruch genommen war, konnte sich den sonderbaren Lärm nicht erklären, der in der Zitadelle herrschte, während man den Kommandanten halbtot wähnte. Er vermutete zunächst, man habe sein Urteil umgewandelt und wolle ihn hinrichten. Als er sodann merkte, daß kein Mensch nach seiner Zelle kam, glaubte er, Clelia sei verraten worden; man habe bei ihrer Rückkehr in die Zitadelle die Seile bei ihr entdeckt, die sie wahrscheinlich einschmuggeln wollte, und nun seien alle seine Fluchtpläne vereitelt.
    Bei Tagesgrauen sah er einen ihm unbekannten Mann in seine Zelle treten, der, ohne ein Wort zu sagen, einen Korb mit Früchten niedersetzte. Unter den Früchten war folgender Brief verborgen:
    ›Gequält von den heftigsten Gewissensbissen über das, was man, dem Himmel sei Dank, ohne mein Wissen getan hat, woran aber ein Einfall von mir schuld war, habe ich der Heiligen Jungfrau gelobt, falls mein Vater durch Gottes Fügung gerettet wird, mich nie wieder seinen Befehlen zu widersetzen. Ich werde den Marchese heiraten, sobald es von mir verlangt wird, und niemals werde ich Sie wiedersehen. Gleichwohl halte ich es für meine Pflicht, das Begonnene zu vollenden. Nächsten Sonntag nach der Messe, in die man Sie auf meine Bitte führen wird (Denken Sie daran, Ihre Seele vorzubereiten! Sie können bei dem gefahrvollen Unternehmen den Tod finden!), nach der Messe also verzögern Sie die Rückkehr in Ihre Zelle so lange wie

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