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Die Kartause von Parma

Die Kartause von Parma

Titel: Die Kartause von Parma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stendhal
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möglich. Sie werden dort vorfinden, was zur Ausführung Ihres Planes nötig ist. Wenn Sie dabei umkämen, wäre meine Seele tief betrübt. Werden Sie mir vorwerfen können, ich hätte zu ihrem Tode beigetragen?Hat mir die Duchezza nicht verschiedentlich wiederholt, die Partei der Raversi bliebe siegreich? Man will Serenissimus durch eine grausame Handlung binden, die ihn auf ewig mit dem Grafen Mosca entzweit. Die Duchezza hat mir unter Tränen geschworen, es bliebe keine andere Rettung als diese. Wenn Sie nichts wagen, sind Sie des Todes! Ich kann Sie nicht mehr sehen; ich habe ein Gelübde getan. Aber wenn Sie mich am Sonntag gegen Abend ganz schwarz gekleidet an dem gewohnten Fenster erblicken, so wird dies das Zeichen sein, daß für die folgende Nacht alles so vorbereitet sein wird, wie es meine schwachen Kräfte erlauben. Nach elf Uhr, vielleicht auch um Mitternacht oder um ein Uhr, wird eine kleine Lampe an meinem Fenster sichtbar werden. Das wird der entscheidende Augenblick sein. Empfehlen Sie sich dann Ihrem Schutzheiligen; ziehen Sie schnell den Priesterrock an, mit dem Sie versorgt werden, und machen Sie sich auf den Weg!
    Leben Sie wohl, Fabrizzio! Ich werde für Sie beten und die bittersten Tränen vergießen (das können Sie mir glauben!), während Sie in so großer Gefahr schweben. Wenn Sie umkämen, so überlebte ich Sie nicht. Mein Gott, was sage ich da? Wenn Sie aber Glück haben, werde ich Sie nie wieder sehen. Also am Sonntag, nach der Messe, werden Sie in Ihrer Zelle Geld, Gift und Seile vorfinden, von jener werten Frau gesandt, die Sie leidenschaftlich liebt und die mir dreimal wiederholt hat, es müsse sein.
    Gott und die heilige Madonna mögen Ihnen beistehen!«
    Fabio Conti war ein allezeit ruheloser, allezeit unglücklicher Kerkermeister, der in seinen Träumen immer einen seiner Gefangenen entkommen sah. Er war in der Zitadelle allgemein verhaßt; aber da das Unglück allen Menschen die gleichen Gedanken eingibt, so kamen die armen Gefangenen, sogar die, die in drei Fuß hohen Zellen in Ketten lagen und weder sitzen noch stehen konnten, kamen also alle Gefangenen auf den Einfall, auf ihre Kosten ein Tedeum singen zu lassen, als sie vernahmen, derKommandant sei außer Gefahr. Zwei oder drei der Unglücklichen machten Fabio Conti zu Ehren Gedichte! So wirkt das Unglück auf die Menschen!
    Clelia, die das Zimmer ihres Vaters nur verließ, um in der Kapelle zu beten, verkündete, der Kommandant habe bestimmt, daß die Genesungsfeier erst am Sonntag stattfinden solle. Am Morgen dieses Tages wohnte Fabrizzio der Messe und dem Tedeum bei. Der Abend brachte ein Feuerwerk, und im Erdgeschoß der Kommandantur hielten die Soldaten ein Festgelage ab, wobei sie viermal mehr Wein bekamen, als der Kommandant ihnen bewilligt hatte. Von unbekannter Seite waren sogar etliche Fäßchen Schnaps gestiftet worden, die von den Soldaten bis auf den letzten Tropfen geleert wurden. Aus edler Kameradschaft duldeten die berauschten Krieger nicht, daß die fünf Mann, die rings um die Kommandantur Posten standen, ihres Dienstes wegen das Nachsehen hätten. Allemal, wenn sie an ihre Schilderhäuschen kamen, gab ihnen ein bestochener Lakai Wein, und die, die um Mitternacht für den Rest der Nacht auf Posten zogen, kriegten von wer weiß wem auch ein Glas Schnaps, wobei man die Flasche am Schilderhaus stehen ließ, wie die spätere Untersuchung ergeben hat.
    Die Unordnung hielt länger an, als Clelia gedacht hatte, und erst gegen ein Uhr begann Fabrizzio, der seit mehr als acht Tagen zwei Gitterstäbe des nicht nach der Vogelstube blickenden Fensters durchgefeilt hatte, den Fensterschirm zu beseitigen. Er arbeitete beinahe über den Köpfen der Wachtposten, die vor der Kommandantur standen; sie hörten nichts.
    Nur am größten Seil, mit dem er die schreckliche Höhe von hundertachtzig Fuß hinunterklettern wollte, hatte er noch weitere Knoten gemacht; er wickelte es sich wie ein Bandelier um den Leib. Es hatte ein Riesengewicht und belästigte ihn sehr; wegen der Knoten ließ es sich nicht zusammendrücken und stand mehr als achtzehn Zoll vom Körper ab. ›Das hindert mich arg‹, sagte sichFabrizzio. Nachdem er sich dieses Seil schlecht und recht umgetan hatte, nahm er das, mit dem er die fünfunddreißig Fuß von seinem Fenster bis zur Plattform hinunterklettern wollte.
    Da Fabrizzio, so bezecht die Wache auch sein mochte, nicht gerade über ihren Köpfen hinunterklettern konnte, wählte er, wie bereits erwähnt,

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